Leitsatz
Wird im Rahmen eines Räumungsprozesses zwischen den Parteien eines Wohnraummietverhältnisses in einem Prozessvergleich ein bestimmter Mietrückstand festgestellt und vereinbart, dass der Rückstand ratenweise zu tilgen ist, stellt die vom Mieter für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung der Ratenzahlungspflicht übernommene Verpflichtung, die Mietwohnung zu räumen, jedenfalls dann kein gemäß § 555 BGB unwirksames Vertragsstrafeversprechen dar, wenn im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses der Räumungsanspruch des Vermieters bei Zugrundelegung des im Vergleich festgestellten Mietrückstands begründet war.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 555
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über eine Doppelhaushälfte zu einer monatlichen Kaltmiete von 700 EUR. Ab April 2006 haben die Mieter die Miete nur noch zum Teil bezahlt; der Mietrückstand betrug im Dezember 2006 ca. 1.900 EUR. Die Vermieter haben das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos gekündigt und Räumungsklage erhoben.
Der Räumungsprozess endete am 20.7.2007 mit einem Vergleich: In Ziff. I des Vergleichs wurde der Rückstand zum Dezember 2006 mit 1.900 EUR festgestellt. Die Mieter haben sich verpflichtet, den Rückstand in monatlichen Raten in Höhe von 200 EUR (Ziff. II des Vergleichs) und die monatliche Miete (Ziff. III des Vergleichs) jeweils am 3. Werktag zu bezahlen. Außerdem ist unter Ziff. VI des Vergleichs vereinbart:
"Sollten die (Mieter) hinsichtlich der monatlichen Raten von 200 EUR gemäß Ziff. II und III dieses Vergleichs länger als 14 Tage in Verzug geraten, verpflichten sich die (Mieter) bereits jetzt, das Anwesen ... innerhalb von acht Wochen ab Eintritt des Verzugs vollständig zu räumen und ... an die (Vermieter) herauszugeben."
Die Mieter haben die geschuldeten Beträge zunächst bezahlt; im November 2007 gerieten sie erneut in Zahlungsverzug. Die Vermieter haben aus Ziff. VI des Vergleichs die Zwangsvollstreckung betrieben. Hiergegen haben die Mieter Vollstreckungsgegenklage eingereicht, mit der sie unter anderem geltend machen, dass die in Ziff. VI des Vergleichs vereinbarte Räumungsverpflichtung als Vertragsstrafe zu bewerten sei; dieser Teil des Vergleichs verstoße deshalb gegen § 555 BGB.
Der BGH teilt diese Ansicht nicht: Nach § 555 BGB ist eine Vereinbarung unwirksam, durch die sich der Vermieter eine Vertragsstrafe vom Mieter versprechen lässt. Eine solche Vereinbarung kann auch in einem gerichtlichen Vergleich nicht wirksam getroffen werden. Aus einem unwirksamen Räumungsvergleich ist keine Zwangsvollstreckung möglich. Die Vermieter müssten in einem solchen Fall das Ursprungsverfahren fortsetzen (BGH, Urteil v. 29.7.1999, III ZR 272/98, NJW 1999 S. 2903).
Eine Vertragsstrafe i. S. d. § 555 BGB liegt vor, wenn sich der Mieter verpflichtet, für den Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung eine Strafgebühr zu entrichten. Die Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn der Mieter für diesen Fall auf die Wahrnehmung von Rechten verzichtet. Deshalb war in Erwägung zu ziehen, ob in der Bereitschaft der Mieter zur sofortigen Räumung ein Verzicht auf die gesetzlichen Kündigungsschutzvorschriften zu sehen ist. Nach Ansicht des BGH beinhaltet die Regelung in Ziff. VI des Vergleichs keinen Verzicht der Mieter. Vielmehr ist darin "ein auflösend bedingter Rechtsverzicht der (Vermieter zu sehen), die ihren an sich begründeten Räumungsanspruch zunächst nicht weiter verfolgten, sondern so lange zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit waren, als die Kläger ihre Zahlungsverpflichtungen aus dem Vergleich erfüllten". Eine solche Regelung ist wirksam.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 14.10.2009, VIII ZR 272/08, WuM 2009 S. 739 m. Anm. Flatow, jurisPR-MietR 26/2009 Anm. 5