Leitsatz

Wer einen anderen allein auf steuerliche Vorteile einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung hinweist, haftet ihm bei einem Fehler grundsätzlich nur für den ausgebliebenen Steuervorteil und nicht für einen ausgebliebenen Unternehmenserfolg.

 

Sachverhalt

Der Kläger K gründete 1992 zusammen mit der S-GmbH die SI-GmbH, an der er und seine Ehefrau sich noch im Gründungsjahr mit stillen Einlagen von 700 000 DM und 200 000 DM beteiligten. Beide Gesellschaften kamen nach längeren Verhandlungen von K mit dem Geschäftsführer der Beklagten und der Geschäftsführung der S-GmbH zustande. Die Beklagte, eine Steuerberatungsgesellschaft, besorgte vor und während der Verhandlungen auch die Buchhaltung der S-GmbH und erteilte Auskünfte zu den aufgrund der Beteiligungen zu erwartenden Steuervorteilen. Die Kläger erreichten mit ihren stillen Beteiligungen die für 1992 angestrebten steuerlichen Verluste durch Anlaufkosten der SI-GmbH nur zu einem geringen Teil. Die kaufmännischen Ziele des Unternehmens erfüllten sich gleichfalls nicht. Die Konkurseröffnung über das Vermögen der SI-GmbH wurde 1995 mangels Masse abgelehnt. Die Beklagte wurde durch die Vorinstanzen zum Ersatz der verfehlten Steuerminderungsbeträge und zur Entschädigung der Kläger in Höhe der verlorenen stillen Beteiligungen verurteilt. Auf die Revision der Beratungsgesellschaft hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.

 

Entscheidung

Grundsätzlich haftet derjenige, der für ein schädigendes Ereignis verantwortlich ist, dem Geschädigten für alle dadurch ausgelösten Schadensfolgen. Eine Pflichtverletzung kann aber nur zum Ersatz der Schäden führen, deren Vermeidung die verletzte Pflicht bezweckt, die also in deren Schutzbereich liegt.

Jemand, der nicht Partner eines Anlagegeschäfts ist und der dem Anlageinteressenten nur hinsichtlich eines bestimmten entscheidungsrelevanten Einzelpunkts Aufklärung schuldet, muss daher im Falle eines Fehlers lediglich für die Risiken einstehen, für deren Einschätzung die geschuldete Aufklärungmaßgeblich war[1]. Im Falle eines Auskunftsvertrags oder einer vorvertraglichen Hinweispflicht gilt nichts anderes. Die Vorinstanzen hatten diese Rechtsfrage anders beurteilt. Sie sind davon ausgegangen, dass die Beklagte eine "Komplettberatung" geschuldet habe und die Beteiligungsentscheidung zudem in einem untrennbaren Zusammenhang mit den angestrebten Steuervorteilen zu sehen sei. Bereits unter diesem Gesichtspunkt sei der eingetretene Schaden vollumfänglich zu ersetzen.

Dem trat der BGH entgegen. Nach seiner Auffassung ist zunächst der genaue Umfang der im Einzelfall zu beachtenden Aufklärungs- und Auskunftspflichten festzustellen. Erwartete Steuervorteile durch Verlustzuweisungen und das allgemeine Beteiligungswagnis seien in der Anlageentscheidung zusammengeflossen. Entscheidend sei, dass der Steuervorteil einerseits und der wirtschaftliche Anlageerfolg andererseits unabhängig voneinander erreicht oder verfehlt wurden. Jeder Schaden müsse daher einer möglichen haftungsbegründenden Pflichtverletzung getrennt zugerechnet werden.

Ein Steuerberater ist allerdings ebenso wie ein Rechtsanwalt verpflichtet, trotz eines möglicherweise eingeschränkten Mandats auch vor anderen Gefahren, die ihm bekannt oder offenkundig sind, zu warnen. Dies gilt regelmäßig vor allem dann, wenn er erkennt, dass sich der Mandant der ihm drohenden Nachteile nicht bewusst ist[2]. Diese erweiterte Warnpflicht besteht gleichermaßen für die Haftung für steuerliche Hinweise eines Rechtsberaters zu Anlagevorhaben. Auch diese Frage ist einzelfallbezogen zu entscheiden. Soll die erweiterte Warnpflicht durch den Steuerberater über nichtsteuerliche Risiken einer Anlage gerade dazu dienen, einen unwissenden Interessenten vor einem drohenden kaufmännischen Misserfolg zu schützen, kommt eine Haftungsbegrenzung des Beraters auf die ausgebliebenen Steuervorteile der Anlage nach Meinung des BGH nicht mehr in Betracht.

Der BGH konnte wegen der nicht vollständigen Sachverhaltsaufklärung nicht entscheiden. Die Sache wurde daher an die Vorinstanz zurückverwiesen.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung bestätigt erneut die allgemeine Auffassung, dass ein Berater seinen Mandanten auch über den im Einzelfall vereinbarten Beratungsrahmen hinaus warnen muss, wenn ihm im Rahmen der Beratungstätigkeit Risiken bekannt werden oder für ihn gar offenkundig sind. Zur Vermeidung von Haftungsproblemen sollte ein Beratungsmandat daher einerseits möglichst konkret gefasst werden. Eine diesbezügliche genaue Dokumentation des Auftrags ist dabei unverzichtbar. Andererseits sollte der Berater schon rein vorsorglich auf alle ihm erkennbaren mittelbaren Risiken hinweisen, selbstwenn eine solche Aufklärung nicht Gegenstand der Einzelfallvereinbarung ist. Auch hier gilt der Rat, erteilte Hinweise sorgfältig zu dokumentieren.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 13.02.2003, IX ZR 62/02

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