Sachverhalt
Bei dem tschechischen Verfahren ging es um die Auslegung von Art. 306 MwStSystRL. Fraglich war, ob die Margenbesteuerung von Reiseleistungen sich nur auf Leistungen bezieht, die die Reisebüros gegenüber Endverbrauchern (Reisenden) erbringen, oder auch auf Leistungen gegenüber anderen Personen (Kunden). Streitig war auch, ob ein Transportunternehmen, das lediglich die Beförderung von Personen durchführt, indem es gegenüber Reisebüros (nicht direkt gegenüber Reisenden) Bustransporte erbringt, und das keine weiteren Dienstleistungen (Unterkunft, Unterrichtung, Beratung usw.) bewirkt, als Reisebüro im Sinne von Art. 306 MwStSystRL anzusehen ist.
Die Klägerin führt Personenbeförderung mit Bussen in der Tschechischen Republik und in Mitgliedstaaten der EU durch. Sie führt diese Beförderungen entweder mit ihren eigenen Bussen oder über Subunternehmer durch. Die Käufer dieser Beförderungsleistungen sind immer Reisebüros, sowohl aus Tschechien als auch aus anderen Ländern der Europäischen Union oder aus Drittländern. Gegenüber diesen Kunden tritt die Klägerin immer im eigenen Namen auf. Wenn die Klägerin Personenbeförderungen unter Inanspruchnahme von Subunternehmern durchführt, macht sie den Vorsteuerabzug auf der Grundlage der Rechnungen der Subunternehmer geltend und stellt ihren Kunden ebenfalls Rechnungen unter Ausweis von MwSt aus.
Die tschechische Finanzbehörde hatte den Vorsteuerabzug der Klägerin gekürzt und eine höhere Ausgangssteuer festgesetzt. Die Klägerin erbringe Reiseleistungen - sie befördere Personen entsprechend den Aufträgen ihrer Kunden (Reisebüros) - und wende entgegen § 89 des tschechischen MwStG die Margenregelung für den Kauf einer Reisedienstleistung von einem anderen Unternehmer nicht an.
Die Klägerin berief sich auf Art. 306 MwStSystRL. Danach sei die Margenregelung anwendbar wenn ein Reisebüro gegenüber einem Reisenden Dienstleistungen erbringt. Der Begriff "Reisender" könne nicht dahin ausgelegt werden, dass damit auch die Kunden der Klägerin (Reisebüros) gemeint seien. Auch setze Art. 306 MwStSystRL voraus, dass eine Tourismusleistung mehrere Dienstleistungen umfasse. Eine Ausnahme sei nur eine Unterbringungsleistung nach dem EuGH-Urteil v. 12.11.1992, C-163/91 (Van Ginkel).
Nach Art. 89 des tschechischen MwStG ist die Margenregelung vom Erbringer einer Reisedienstleistung, der gegenüber einem Kunden bei der Erbringung von Reisedienstleistungen im eigenen Namen auftritt, anzuwenden. Für die Zwecke dieser Bestimmung ist ‚Erbringer einer Reisedienstleistung’ der Steuerpflichtige, der gegenüber dem Kunden eine Reisedienstleistung erbringt, ‚Kunde’ die Person, gegenüber der die Reisedienstleistung erbracht wird, und ‚Reisedienstleistung’ eine Dienstleistung gegenüber einem Kunden, die eine Kombination von Tourismusleistungen und gegebenenfalls Gegenständen umfasst, wenn einzelne Tourismusleistungen und Gegenstände von anderen Steuerpflichtigen gekauft werden.
Wie auch bei den anhängigen Klagen der EU-Kommission gegen einige Mitgliedstaaten muss der EuGH den Anwendungsbereich der Margenregelung für Reiseleistungen bestimmen. Art. 89 des tschechischen MwStG dürfte hier zu weitgehend sein. Insofern dürfte das deutsche Recht von dem Verfahren nicht berührt sein, weil § 25 UStG nicht anwendbar ist, soweit Reiseleistungen für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind (z.B. Kettengeschäfte oder Incentive-Reisen).
Entscheidung
Der EuGH hat nur die zweite Frage des Vorlagegerichts beantwortet, ob ein Busunternehmen, das ausschließlich Beförderungen von Personen im Auftrag von Reiseveranstaltern durchführt, Reiseleistungen i.S.v. Art. 306 MwStSystRL erbringt, wenn es die Beförderungen nicht mit eigenen Bussen durchführt, sondern Subunternehmer damit beauftragt. Diese Frage hat der EuGH verneint und musste somit die erste Frage nicht mehr beantworten, ob die Margenbesteuerung von Reiseleistungen sich nur auf Leistungen bezieht, die die Reisebüros gegenüber Endverbrauchern (Reisenden) erbringen, oder auch auf Leistungen gegenüber anderen Personen (Unternehmern).
Der EuGH hat mit Beschluss nach Art. 104 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entschieden. Diese Vorschrift regelt in Unterabsatz 1: Stimmt eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage mit einer Frage überein, über die der Gerichtshof bereits entschieden hat, oder kann die Antwort auf eine solche Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden, kann der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist und auf das frühere Urteil oder auf die betreffende Rechtsprechung verweist. Nach Unterabsatz 2 gilt: Der Gerichtshof kann nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts und nachdem er den in Artikel 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben und den Generalanwalt angehört hat, ebenfalls durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, entscheiden, wenn die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage keinen Raum fü...