Kommentar
In diesem Verfahren ging es um die Umsatzbesteuerung der Restaurationsumsätze auf einer Fähre, die zwischen Deutschland und Dänemark verkehrt. Bei der Überfahrt wird den Passagieren als entgeltliche Leistung die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle angeboten. Das Fährunternehmen war der Auffassung, die Restaurationsumsätze seien als Dienstleistungen (= sonstige Leistungen) anzusehen, deren Ort sich nach dem Sitz des Unternehmens in Dänemark richte. Die deutsche Finanzbehörde wollte die Restaurationsumsätze als Lieferungen besteuern, so daß die Restaurationsumsätze steuerbar und steuerpflichtig seien, die in der deutschen Drei-Seemeilen-Zone erbracht würden.
Streitig war also, ob die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle als eine Lieferung oder als eines sonstige Leistung anzusehen ist.
Nach deutschem Recht, aber auch nach dem Recht der Niederlande, wurden Restaurationsumsätze bis zu dem EuGH-Urteil seit jeher als Lieferungen angesehen, während andere Mitgliedstaaten hierin Dienstleistungen sahen. Diese unterschiedliche Betrachtungsweise führt zwangsweise zu unterschiedlichen Bestimmungen des Orts der Leistung und damit zu möglichen Doppel- oder Nichtbesteuerungen. Diese Kompetenzkonflikte hat der EuGH mit seinem Urteil beseitigt. Nach der Entscheidung ist die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen. In dieser Reihe von Vorgängen erkennt der EuGH nur einen Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln, während nach seiner Auffassung die Dienstleistungen weit überwiegen. Er hat daher Restaurationsumsätze grundsätzlich als Dienstleistungen eingestuft. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel zum Mitnehmen bezieht und dabei keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen.
Das EuGH-Urteil ist für das deutsche Umsatzsteuerrecht beachtlich. Es bedeutet, daß Restaurationsumsätze jetzt den sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG zugerechnet werden müssen und die für sonstigen Leistungen geltenden weiteren Regelungen (Ort der Leistung, Zeitpunkt der Leistung) anzuwenden sind. Es bedarf auch einiger Abgrenzungskriterien, die die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr als Dienstleistung einordnen oder als Lieferung. Denn der EuGH hat sich insoweit zu einer Unterscheidung nicht näher geäußert. Es spricht in diesem Zusammenhang lediglich davon, daß bei der Einordnung eines Nahrungsmittelumsatzes als Lieferung keine Dienstleistungen erbracht werden dürfen, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen.
Das Urteil dürfte nicht nur für die Abgabe von Speisen und Getränken in Restaurants auf Schiffen, sondern für alle derartigen Umsätze gelten. Der Ort dieser Leistungen richtet sich immer nach dem Sitz des leistenden Unternehmens. Hat das leistende Unternehmen seinen Sitz nicht im Inland, sind seine Restaurationsumsätze jeweils nach deutschem Umsatzsteuerrecht nicht steuerbar. Umgekehrt können in Deutschland nach dem Urteil alle Restaurationsumsätze besteuert werden, die von in Deutschland ansässigen Unternehmen im Ausland erbracht werden.
Eine gesetzliche Regelung hierzu steht noch aus.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 02.05.1996, C-231/94