Leitsatz
Über den Antrag auf Restschuldbefreiung ist nach Ende der 6-jährigen Laufzeit der Abtretungserklärung von Amts wegen zu entscheiden. Dies gilt selbst dann, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist und wesentliche Verfahrensteile wie die der Wohlverhaltensperiode noch überhaupt nicht durchgeführt wurden.
Sachverhalt
Ist über den Antrag vor Ende des Insolvenzverfahrens entschieden worden, entfällt auch der Insolvenzbeschlag für den Neuerwerb ab dem Zeitpunkt der Restschuldbefreiung. Sobald diese erteilt ist, hat der Insolvenzverwalter den eingezogenen Neuerwerb, der dann nicht mehr in die Masse fällt, an den Schuldner auszukehren. Der BGH hatte folgenden Fall zu entscheiden: Die Schuldnerin beantragte am 1.2.2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen sowie die Restschuldbefreiung. Sie trat ihre pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis sowie sämtliche hierfür entstehenden Ersatzforderungen an den Treuhänder ab. Das Gericht eröffnete das Insolvenzverfahren zum 1.3.2002.
Die Schuldnerin erhielt in der Folgezeit anstelle ihres bisherigen Einkommens verschiedene Renten. Die Witwenrente wurde bis Juni 2007 mit ihrem Einverständnis auf das Verwalter-Anderkonto überwiesen. Im April 2008 beantragte der Verwalter die Anordnung, die 3 Renten der Schuldnerin zur Berechnung des insgesamt pfändbaren Einkommens zusammenzurechnen. Es wurde eine Einkommenshöhe von insgesamt 1688,23 EUR festgestellt. Den pfändbaren Teil ließ der Verwalter – nach einem entsprechenden Beschluss des Insolvenzgerichts – auf sein Anderkonto überweisen. Mit ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluss hatte die Schuldnerin keinen Erfolg.
Nach Auffassung des Landgerichts und des BGH unterlagen die fortlaufenden Bezüge der Schuldnerin dem sogenannten "Insolvenzbeschlag". Das zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretene Ende der 6-jährigen Laufzeit der Abtretungserklärung stand der Zusammenrechnung nicht entgegen, da die Restschuldbefreiung noch nicht erteilt war.
So sieht es jedenfalls der BGH. Der Schuldnerin kam vorliegend nicht zugute, dass das Gericht über die Restschuldbefreiung entgegen der Gesetzesintention noch nicht entschieden hatte. Nach Auffassung des BGH muss der Schuldner bzw. der Insolvenzverwalter seinerseits auf die Entscheidung über die Restschuldbefreiung drängen.
Im Regelfall wird erst nach Rechtskraft des Beschlusses über die Ankündigung der Restschuldbefreiung das Insolvenzverfahren aufgehoben. Erst dann beginnt die sog. Wohlverhaltensperiode, in der der Schuldner sämtliche nicht pfändbaren Einkommensteile den Gläubigern zur Verfügung stellen muss. Nach Auffassung des Gerichts war es allerdings Ziel des Gesetzgebers, den Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung von der Dauer des übrigen Verfahrens zu lösen. Selbst wenn also wesentliche Verfahrensteile wie die der Wohlverhaltensperiode noch überhaupt nicht durchgeführt wurden, hat der Schuldner nach 6 Jahren dennoch den unbedingten Anspruch auf Entscheidung über die Restschuldbefreiung.
Der Sinn dieser Regelung besteht darin, dass für den redlichen Schuldner die Möglichkeit geschaffen werden soll, nach Ablauf der 6-jährigen Abtretung seiner Bezüge wieder einen wirtschaftlichen Neuanfang zu wagen. Selbst wenn die Wohlverhaltensphase zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war oder gar nicht begonnen hat, werden die Gläubiger hierdurch nach Auffassung des BGH nicht unangemessen benachteiligt.
Eine Verteilung des zum Ablauf der Abtretungsfrist in die Masse gefallenen Vermögens und Neuerwerbs bleibt ja weiterhin möglich. Dies folgt daraus, dass der Insolvenzbeschlag bis zur Aufhebung des Verfahrens aufrechterhalten bleibt. Teilweise wird befürchtet, nach Erteilung der Restschuldbefreiung bestehe für den Schuldner kein Anreiz mehr, bei der weiteren Fortführung des Insolvenzverfahrens mitzuwirken.
Diese Gefahr sieht der BGH nicht. Da ohnehin nur die Vermögenswerte noch verteilt würden, die bereits vom Insolvenzverwalter in Beschlag genommen seien, bestehe kein Interesse des Schuldners an einer Verweigerung der weiteren Mitwirkung. Auch bei Wegfall der Wohlverhaltensperiode ist ein Termin anzuberaumen, zu dem die Insolvenzgläubiger ihre Bedenken gegen eine mögliche Restschuldbefreiung vorbringen können. Dies kann in einer Gläubigerversammlung oder aber auch im schriftlichen Verfahren erfolgen. Wird die Restschuldbefreiung während des laufenden Insolvenzverfahrens erteilt, entfällt nach Rechtskraft dieser Entscheidung der Insolvenzbeschlag hinsichtlich des Neuerwerbs. Nach Ablauf der 6-jährigen Abtretungsphase soll der Neuerwerb dem Schuldner wieder komplett zur Verfügung stehen, sofern ihm die Restschuldbefreiung erteilt wird. Andernfalls würden die Gläubiger zum Nachteil des redlichen Schuldners Vorteile erlangen, die das Gesetz nicht vorsieht.
Damit die hieraus entstehenden möglichen Gefahren für die Gläubiger möglichst gering gehalten werden, hat das Insolvenzgericht im Rahmen der Entscheidung über die Restschuldbefreiung die Redli...