1 Leitsatz
Die sachliche Zuständigkeit eines Amtsgerichts kann im Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
2 Normenkette
§ 545 Abs. 2 ZPO
3 Das Problem
Bei einer Wohnungseigentumsanlage handelt es sich um ein sog. "Boardinghouse". Es besteht aus 100 Appartements, einem Restaurant und 27 Tiefgaragenstellplätzen. Ursprünglich hieß es in den Wohnungsgrundbüchern: "verbunden mit Sondereigentum an dem Hotelappartement". Auf Betreiben der Wohnungseigentümer B bis Z hat das OLG das Grundbuchamt verpflichtet, den Begriff "Hotelappartement" durch "Appartement" zu ersetzen.
Mit seiner jetzigen Klage verlangt der Insolvenzverwalter K des Wohnungseigentümers A von den anderen Wohnungseigentümern, der Wiedereintragung der ursprünglichen Fassung zuzustimmen. Das AG weist die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit als unzulässig ab. Die hiergegen gerichtete Berufung bleibt erfolglos. Auch das LG meint, es liege eine allgemeine Zivilsache vor. Mit der Revision verfolgt K seinen Klageantrag weiter.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Ob das Berufungsgericht die sachliche Zuständigkeit des AG zu Recht verneint habe, wogegen sich die Revision wende, könne der BGH nicht prüfen. Denn nach § 545 Abs. 2 ZPO könne die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint habe. Der BGH entnehme § 545 Abs. 2 ZPO in ständiger Rechtsprechung ein schlechthin bestehendes Verbot, eine in den Vorinstanzen angenommene oder verneinte sachliche Zuständigkeit revisionsgerichtlich nachzuprüfen. Das Verbot gelte auch dann, wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur Zuständigkeit zugelassen habe.
Richtig sei, dass der Senat gelegentlich entscheide, ob eine Berufung an das für Wohnungseigentumssachen oder an das für allgemeine Zivilsachen zuständige LG zu richten sei. Diese Klärungen stünden aber nicht in Widerspruch zu § 545 Abs. 2 ZPO. Denn dabei habe es sich um Verfahren gehandelt, in denen das AG eine Sachentscheidung getroffen habe und die Rechtzeitigkeit der Berufung gegen dieses Urteil davon abhänge, ob sie bei dem zuständigen Gericht eingelegt worden sei. Welches (Berufungs-)Gericht für die Sache zuständig sei, werde in diesen Fällen nur inzident im Rahmen der Zulässigkeit der Berufung geprüft.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob die Klage auf Änderung einer Eintragung in den Wohnungsgrundbüchern eine WEG-Streitigkeit ist.
WEG-Streitigkeit
Bei der Klage handelt es sich, was der BGH nicht klären musste, um eine WEG-Streitigkeit. Denn es geht nach dem Verständnis der Parteien um den Inhalt des Sondereigentums. Dieser wird durch die Vereinbarungen der Wohnungseigentümer bestimmt. Hieße es "Hotelappartement", könnte eine Vereinbarung mit dem Inhalt bestehen, dass das Sondereigentum nur als Hotelzimmer benutzt werden darf.
Was den Fall besonders macht, ist, dass es diese Eintragung in den Wohnungsgrundbüchern gibt. Zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Sondereigentums kann das Grundbuchamt nämlich nach § 7 Abs. 3 Satz 1 WEG auf die Eintragungsbewilligung Bezug nehmen. Nur Veräußerungsbeschränkungen (§ 12 WEG) und die Haftung von Sondernachfolgern für Geldschulden sind – seit dem 1.12.2020 – ausdrücklich einzutragen. Dem Grundbuchamt ist es durch § 7 Abs. 3 Satz 1 WEG allerdings nicht verwehrt, in den Wohnungsgrundbüchern selbst etwas zum Inhalt des Sondereigentums darzustellen. So geschieht es z. B. zum Teil mit Sondernutzungsrechten.
Im Fall durfte es daher "Hotelappartement" heißen – auch wenn der Begriff zur Benutzung ggf. nicht alles sagt. Eine Änderung war nur durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer möglich. Dieses strebte der Insolvenzverwalter an. Eine solche Klage, die man auf § 10 Abs. 2 WEG stützen kann, ist nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG eine WEG-Streitigkeit.
6 Entscheidung
BGH, Urteil v. 25.2.2022, V ZR 143/21