Leitsatz (amtlich)
1. Die Festsetzungen in der Satzung über Sondervorteile i.S. des § 19 AktG. dürfen jedenfalls solange nicht aus der Satzung durch Satzungsänderung entfernt werden, wie die Sondervorteile noch gewährt werden.
2. Das gleiche gilt für Sacheinlagen i.S. des § 20 AktG., auch wenn die Sacheinlagen vor langer Zeit geleistet sind, jedenfalls dann, wenn die Sondervorteile (s. zu 1) zugleich eine Entschädigung für die geleisteten Sacheinlagen darstellen. †)
Normenkette
AktG §§ 19-20, 145 Abs. 3
Gründe
Im Januar 1908 wurde in das Handelsregister die S.-Aktiengesellschaft eingetragen. Das Grundkapital der Gesellschaft betrug eine Million Mark und war in 1000 Aktien über je 1.000 M zerlegt. Zu den Gründern gehörte der Kaufmann Franz H., der 992 Aktien übernahm. H. wurde auch Aufsichtsratsmitglied. Laut § 22 der Satzung braute H. als alleiniger Inhaber der Firma Franz H. das ihm gehörige Unternehmen mit Aktiven und Passiven in die Firma ein. Für die von ihm bewirkten Sacheinlagen erhielt er 992 als vollgezahlt geltende Aktien über je 1.000 M und 8.000 M in bar. Die §§ 23, 24 der Satzung enthalten Bestimmungen über eine an Franz H. zu zahlende jährliche Umsatzprovision; nach seinem Tode sollte der Anspruch für bestimmte Zeit seiner Ehefrau und seinen Kindern zustehen.
In der Hauptversammlung v. 6. April 1938 beschloß die Gesellschaft, unter Fortfall der §§ 22– 25 der alten Satzung die Anpassung der Satzung an die Bestimmungen des AktG. vom 30. Jan. 1937. Sodann wurde die beschlossene Neufassung der Satzung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Dabei vertrat die Gesellschaft den Standpunkt, daß der Fortfall der §§ 22 bis 25 der Satzung ohne Rücksicht auf das tatsächlich nicht vorliegende Einverständnis der Erben (Ehefrau und Kinder) des inzwischen verstorbenen Aktionärs H. hätte beschlossen werden können, obwohl die Ansprüche auf Provision noch beständen. Das AG. lehnte mit Beschl. v. 17. Mai 1938 die Eintragung der beantragten Satzungsänderung ab, soweit die Änderung die Fortlassung der §§ 22– 25 der Satzung betrifft. Die gegen den Beschluß des AG. eingelegte Beschw. wurde vom LG. mit Beschl. v. 1. Juni 1938 zurückgewiesen. Gegen den Beschluß des LG. legte die Gesellschaft weitere Beschw. ein, die keinen Erfolg hatte.
Die Bestimmung in der Satzung zunächst über die an den Gründer und damaligen Hauptaktionär H. bzw. dessen Erben zu zahlende Provision stellt sich als das Bedingen eines Sondervorteiles i.S. des § 186 Abs. 1 HGB., jetzt § 19 Abs. 1 AktG., dar. Ein solches Abkommen ist nach § 186 Abs. 4 HGB., jetzt § 19 Abs. 3 AktG., gegenüber der Gesellschaft unwirksam, wenn es nicht in der Satzung festgesetzt wird. Die Notwendigkeit der Festsetzung und damit der Kenntlichmachung derartiger Sondervorteile in der Satzung ist zu begründen mit dem Gebotensein der Verhütung von Verschleierung und der Offenlegung im Interesse der Kreditgeber der Gesellschaft und der künftigen Erwerber von Aktien. Die angeführten Gesetzesbestimmungen dienen, ebenso wie die Bestimmungen über Sacheinlagen (§ 186 Abs. 2, 4 HGB.; § 20 AktG.), dem Interesse der Öffentlichkeit; es soll jeder aus der Satzung ersehen können, welche Verbindlichkeiten die Gesellschaft bereits bei ihrer Entstehung belasten und ihre Kapitalgrundlage beeinflussen (Schlegelberger, „AktG.” § 19 A. 1; RGZ. 114, 81).
Nach § 145 Abs. 3 AktG, der ebenso wie alle anderen Bestimmungen des neuen AktG. nach, Maßgabe des EinfG. auch für die bereits bestehenden AktG. gilt (Schlegelberger, A. 1 zu § 1 EinfG. zum AktG.), können die rechtswirksam getroffenen Festsetzungen über Sondervorteile nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 44 AktG. geändert werden. Diese Vorschrift läßt erkennen, daß nach dem bezeichneten Zeitpunkt Änderungen zulässig sind; sie besagt aber keineswegs, wie die BeschwF. meint, daß nun die im § 145 Abs. 3 AktG. bezeichneten Satzungsbestimmungen ohne weiteres aus der Satzung herausgelassen werden können. Die Bestimmung setzt nur einen Zeitpunkt fest, zu dem frühestens eine Änderung möglich ist, und will damit verhindern, daß Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Gründung durch eine Veränderung ihrer Unterlagen beseitigt oder beeinträchtigt werden (Schlegelberger § 145 A. 6; § 20 a. 20; Teichmann-Köhler, „AktG.”, § 145 A. 4; Godin-Wilhelmi, „AktG”, § 145 A. 5; Baumbach, „AktG.” 2. Aufl., § 145 A. 4).
Die Bestimmung besagt also nur, daß, wenn überhaupt eine Satzungsänderung in der gedachten Hinsicht zulässig ist, sie erst nach Ablauf der Frist des § 44 getroffen werden darf (vgl. Dr. Walter Schmidt, „Umgestaltung der Satzungen der Aktiengesellschaften nach dem neuen AktG.”, S. 8– 11; siehe auch Möhring-Schwartz, „Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht”, S. 12, 162). Der § 145 Abs. 3 setzt also voraus, daß ihm bezeichneten Satzungsbestimmungen geändert werden können (Ritter, „AktG.”, § 19 zu 3 f und § 20 zu 2 k).
Nun steht vorliegend fest, daß das Provisionsabkommen weiterbesteht. Ist das aber der Fall, so hat die Festsetzung in der S...