Leitsatz

Der Antrag auf vorläufige Aufhebung der Bindungswirkung eines Beschlusses ist entsprechend § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG gegen die übrigen Wohnungseigentümer und nicht gegen den Verwalter zu richten.

 

Normenkette

§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG; §§ 935, 940 ZPO

 

Das Problem

  1. Ein Wohnungseigentümer stellt gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Gemeinschaft soll es unterlassen, in der Tiefgarage der Wohnungseigentumsanlage die bereits in Auftrag gegebenen Arbeiten beginnen bzw. fortsetzen zu lassen, sowie irgendwelche entsprechenden Vorbereitungsarbeiten vornehmen oder fortsetzen zu lassen.
  2. Zur Begründung führt der Wohnungseigentümer an, dass er gegen den Beschluss zur Sanierung der Tiefgarage eine Anfechtungsklage erhoben habe (die Sanierung sei regelwidrig und zudem nur oberflächlich). Trotz seiner Anfechtungsklage seien indessen die entsprechenden Arbeiten bereits in Auftrag gegeben worden. Durch die Aufnahme der Arbeiten entstünden irreversible Schäden, da ein Rückbau bzw. eine ganzheitliche Sanierung faktisch nicht mehr möglich sein würden. Zudem gingen Mittel in Höhe von 1,3 Mio. EUR verloren.
 

Entscheidung

  1. Die einstweilige Verfügung sei nicht zu erlassen. Der Wohnungseigentümer habe den falschen Antragsgegner benannt. Er wolle die Aussetzung der weiteren Vollziehung der angegriffenen Sanierungsbeschlüsse erreichen. Insoweit seien – parallel zur Hauptsache – indessen die übrigen Wohnungseigentümer zu verklagen (LG Köln v. 28.4.2011, 29 S 112/10, ZMR 2011 S. 827).
  2. Auch ein Verfügungsgrund sei allerdings nicht gegeben. Dies wäre nur der Fall, wenn die Interessen des Antragstellers die der anderen Wohnungseigentümer überwögen. So liege es aber nicht. Im Fall einer vorzeitigen Kündigung der bereits abgeschlossenen Verträge entstehe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein nicht unerheblicher finanzieller Schaden. Kündige die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Werkverträge zur Sanierung der Tiefgarage, schuldete sie die Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen. Zudem sei zu beachten, dass ein möglicher aufgrund nicht zielführender Sanierungsmaßnahmen entstehender Schaden grundsätzlich durch einen Schadensersatzanspruch kompensiert werden könne. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass durch die beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen irreversible Schäden an der Bausubstanz der Tiefgarage entstehen würden.
 

Kommentar

Anmerkung:

  1. Gegenstand der Entscheidung ist vor allem die Frage, gegen wen sich eine einstweilige Verfügung richten muss, mit der ein Beschluss suspendiert wird. Das Landgericht entscheidet hier mit der ganz herrschenden Meinung, dass der richtige Antragsgegner die anderen Wohnungseigentümer sind und nicht der Verwalter.
  2. Im Rahmen eines obiter dictum ("nebenbei Gesagtes": eine in einer Entscheidung geäußerte Rechtsansicht, die die Entscheidung nicht trägt, sondern nur geäußert wurde, weil sich die Gelegenheit dazu bot) weist das Landgericht ferner darauf hin, dass das Interesse eines Wohnungseigentümers daran, dass die Wirkungen eines Beschlusses ausgesetzt werden, grundsätzlich hinter dem Interesse der anderen Wohnungseigentümer, dass der Beschluss durchgeführt wird, zurücktreten muss. Auch diese Haltung entspricht der ganz herrschenden Meinung. Hat eine Anfechtungsklage Erfolg, hat der klagende Wohnungseigentümer allerdings einen Anspruch auf Folgenbeseitigung.

Was ist für den Verwalter wichtig?

  1. Der jeweilige Amtsträger des Verwalteramtes muss nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 WEG von Amts wegen jeden wirksamen Beschluss, nach Sinn und Zweck der Regelung aber auch jede wirksame Vereinbarung zeitnah durchführen. Ob der durchzuführende Beschluss angefochten ist, ist unerheblich. Solange Beschlüsse nicht nichtig, nicht aufgehoben und nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden sind, sind sie gültig (BGH v. 4.4.2014, V ZR 167/13, Rz. 6) und durchzuführen.
  2. Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass der Verwalter mit der Durchführung eines Beschlusses warten soll, bis er bestandskräftig ist. Dieser Beschluss ist immer sinnvoll, wenn die Maßnahme nicht sofort durchgeführt werden soll – oder muss – und eine teure Folgenbeseitigung droht.
Muster
Die Wohnungseigentümer weisen den Verwalter an, den Beschluss ___ [genaue Nennung] erst mit Eintritt der Bestandskraft durchzuführen.
 

Link zur Entscheidung

LG München I, Beschluss vom 09.12.2013, 1 T 25152/13

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