1 Leitsatz
Ein Urteilstenor, welcher den Schuldner im Rahmen von Rückbaumaßnahmen verpflichtet, den "früheren Zustand" ohne nähere Beschreibung "wiederherzustellen", ist unbestimmt und damit nicht vollstreckungsfähig.
2 Normenkette
§ 887 ZPO; § 20 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Durch ein nicht rechtskräftiges Versäumnisurteil ist Wohnungseigentümer B wie folgt verurteilt: "den Anbau/Überbau im Bereich des Gemeinschaftseigentums … zu beseitigen/zurückzubauen und den früheren Zustand wiederherzustellen". Das AG berechtigt Wohnungseigentümer K auf seinen Antrag zur Ersatzvornahme und legt B einen Kostenvorschuss von 25.000 EUR auf. Hiergegen wendet sich B mit seiner Beschwerde, mit der er die Bestimmtheit des Titels rügt und in Abrede nimmt, dass die vom K im Rahmen der beabsichtigen Ersatzvornahme angekündigten Maßnahmen vom Titel erfasst seien.
4 Die Entscheidung
Die Beschwerde hat Erfolg! Das Versäumnisurteil sei nicht bestimmt genug und könne daher nicht Grundlage einer Vollstreckung sein. Es verblieben bereits Zweifel daran, welche Veränderungen den tenorierten "Anbau/Überbau" erfassen würden. Nicht behebbar sei indes die Pflicht zur Wiederherstellung des "früheren Zustands". In der Klageschrift werde B vorgeworfen, Fenster entfernt zu haben, die Außenmauern erweitert und neue Mauern errichtet zu haben. Welche dieser Maßnahmen in welchem Umfang unter die Rückbaupflicht fielen, lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen. Völlig offen bleibe aber der Zustand, welcher wieder herzustellen sei. Dieser sei auch aus der Klageschrift nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennbar, denn hierzu fehle jeglicher Sachvortrag.
Hinweis
- Im Rahmen von Beseitigungsansprüchen muss zumindest der Erfolg so genau bezeichnet werden, dass eine Vollstreckung möglich ist. Einen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels hat der Gläubiger zwar nicht. Gleichwohl muss der Erfolg, auf welchen der Gläubiger nach dem Titel einen Anspruch hat, eindeutig bezeichnet werden – anderenfalls müsste im Zwangsvollstreckungsverfahren geklärt werden, welchen bestimmten Erfolg der Schuldner mit den seiner Auswahl überlassenen Maßnahmen herbeiführen müsste. Diese Klärung gehört nicht ins Zwangsvollstreckungsverfahren. Vielmehr muss durch einen entsprechenden Tenor und zuvor durch einen entsprechenden Klageantrag die Zwangsvollstreckung aus dem beantragten Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren ermöglicht werden.
- An einer nachvollziehbaren Beschreibung des Zustands, der wiederherzustellen ist, fehlt es, wenn ohne nähere Konkretisierung lediglich eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangt wird. Denn damit wird unzulässigerweise die gesamte Prüfung, welcher Sollzustand durch die Maßnahmen des Schuldners erreicht werden muss, in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Insoweit werden die Anforderungen an den Klageantrag auch nicht überspannt, denn dem Kläger verbleibt die Möglichkeit durch Inbezugnahme von (Bau-)Plänen, Zeichnungen oder Fotos den gewünschten Sollzustand eindeutig zu beschreiben. Sollten dann gleichwohl – kleinere – Auslegungsschwierigkeiten verbleiben, können diese im Vollstreckungsverfahren behoben werden.
5 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 4.11.2020, 2-13 T 73/20