Leitsatz

  • Kann ein angefochtener Verwalter-Entlastungsbeschluss durch die Gemeinschaft nachfolgend auch wieder aufgehoben werden?

    Nicht in jedem Fall außergerichtliche Kostenerstattung bei Rücknahme eines Rechtsmittels

 

Normenkette

§ 28 WEG, § 47 WEG, § 387 Abs. 2 BGB

 

Kommentar

1. Die Frage, ob ein angefochtener Entlastungsbeschluss später von der Gemeinschaft "zu Lasten des Verwalters" wieder durch neuerlichen Beschluss aufgehoben werden kann, erscheint nicht unproblematisch. Richtig sei zwar, dass es Eigentümern grundsätzlich verwehrt sei, eine bestandskräftige Entlastung des Verwalters in einem weiteren Beschluss zu widerrufen, und dass ein dennoch gefasster Beschluss von vornherein nichtig sein könne. Ob das aber auch zu gelten habe, wenn wie hier der Verwalter als Vertragspartner des Schuldanerkenntnisses den Aufhebungsbeschluss initiiert und ihm zugestimmt habe, dürfte zumindest zweifelhaft sein. An sich sei es den Parteien eines Schuldanerkenntnisvertrages unbenommen, diesen - aus welchen Gründen auch immer - einverständlich wieder aufzuheben. Nichts anderes dürfte der mit der Zustimmung des Verwalters ergangene Eigentümerbeschluss beinhalten. Der Senat hätte deshalb Bedenken, der abweichenden Ansicht von Bub (Staudinger, § 28 Rn. 455) zu folgen, der den (nachfolgenden) Eigentümerbeschluss als unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gewertet habe und eine Verpflichtungsermächtigung mit den Grundsätzen des BGB für unvereinbar ansehe, was aber duchaus nicht unstreitig sei.

2. Vorliegend sei davon auszugehen, dass die Beschwerde nicht wegen Aussichtslosigkeit, sondern mehr zur Beilegung der Streitigkeiten und Befriedung der Beteiligten zurückgenommen worden sei, was aus Billigkeitsgründen eine außergerichtliche Kostenerstattungsanordnung nicht rechtfertigen könne.

3. Die Rücknahme eines Rechtsmittels in Wohnungseigentumssachen rechtfertigt es auch nicht automatisch, dem Zurücknehmenden stets die außergerichtlichen Kosten der Gegenseite aufzuerlegen. Eine solche Kostenentscheidung muss vielmehr nach den besonderen Umständen des Einzelfalles billigem Ermessen entsprechen.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Köln, Beschluss vom 03.11.1999, 16 Wx 144/99= ZMR 7/2000, 485)

zu Gruppe 4: Wohnungseigetumsverwaltung

Anmerkung:

Die kritische Anmerkung von Rau in ZMR 7/2000 auf Seite 486 zu dieser Entscheidung erscheint mir zutreffend. Im Ergebnis stellt Rau fest, dass sich ein Verwalter nicht mehr auf das ihm erteilte negative Schuldanerkenntnis berufen könne, wenn ein Entlastungsbeschluss auf Anfechtung hin für unwirksam erklärt werden sollte. Bis zur Entscheidung durch das Gericht könne auch eine Gemeinschaft einen solchen Beschluss wieder aufheben, was auch in analoger Anwendung von § 50 zum öffentlich-rechtlichen Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zumindest dann gelten sollte, wenn damit einer Beschlussfassung der Boden entzogen werden sollte.

Auch m.E. kann eine Gemeinschaft im Anschluss an eine erfolgte Anfechtung auch eines Entlastungsbeschlusses in Kenntnis der Gründe eines anfechtenden Eigentümers die neuerliche Willensentscheidung treffen, aufgrund besserer Tatsachen- und Rechtserkenntnis oder auch etwaiger Beschlussmängel in neuerlicher Disposition über die Frage der Entlastung erneut zu entscheiden, den früheren Entlastungsbeschluss also auch aufzuheben (u.U. auch neuerlich zu bestätigen). Bei Bestätigung müsste der Anfechtende wohl auch den neuerlichen Beschluss anfechten, bei Aufhebung wäre u.U. ein Anfechtungs-Rechtsschutzbedürfnis des betreffenden Verwalters im Rahmen etwaiger eigener Anfechtungsmöglichkeit zu überprüfen (m.E. dann jedoch abzulehnen, wenn dieser Verwalter nicht mehr im Amt und somit außenstehender Dritter ohne grundsätzliche Anfechtungsberechtigung wäre). Ohnehin besitzt kein Verwalter (auch kein Ex-Verwalter) einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Entlastung (so die h.R.M.), allenfalls das Recht auf Erhebung einer negativen Feststellungsklage, sollte sich eine Gemeinschaft entgegen seiner Meinung auch noch auf weitergehende Ansprüche berufen. In die Kompetenz der Beschlussfassung (auch zur aufhebenden Beschlussfassung eines früheren Beschlusses) kann ein Gericht gestalterisch nicht eingreifen, sodass mich der Begründungssatz des OLG Köln stört, dass es richtig sei, dass es Eigentümern grundsätzlich verwehrt sei, selbst eine bestandskräftige Entlastung des Verwalters in weiterem Beschluss widerrufen zu können, ja dass ein solcher den früheren Beschluss aufhebender Beschluss sogar von vornherein "nichtig" sein könne (!). Ob eine Gemeinschaft überhaupt im Anschluss an eine verweigerte oder aufgehobene Entlastungsbeschlussfassung weitergehende Ansprüche mit Erfolg stellen kann, klärt sich erst in einem evtl. Folgeverfahren. Eine verweigerte oder wieder aufgehobene Entlastungsbeschlussfassung stellt sich auch aus meiner Sicht nicht als "unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter" dar, will oder muss man auch hier der strengen Trennungstheorie zwischen Beschlussfassung und schuldrechtlichen Vertragsbe...

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