Leitsatz
Bei einer Klage auf Zahlung rückständiger Mieten oder Nutzungsentschädigung ist es nicht erforderlich, dass sich aus der Klageschrift ergibt, welche Rückstände für welche Monate Gegenstand der Klage sind. Vielmehr genügt es, wenn der Rückstand in Form eines Saldos dargestellt wird.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
ZPO § 253
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über eine Wohnung zu einer Grundmiete von 1.431 EUR/Monat. Der Mietvertrag endete im Dezember 2003. Die Mieter haben die Wohnung weiterhin genutzt und hierfür eine Nutzungsentschädigung gezahlt, bis November 2009 in Höhe der ursprünglichen Miete, in der Zeit danach in unterschiedlicher Höhe. Im März 2010 haben die Mieter die Wohnung geräumt und an den Vermieter zurückgegeben.
Der Vermieter nimmt die Mieter auf Zahlung rückständiger Nutzungsentschädigung für die Zeit von Januar 2007 bis März 2010 in Anspruch. Er ist der Ansicht, dass die ortsübliche Miete in der fraglichen Zeit 1.918 EUR/Monat betragen habe. Die infolge der Minderzahlung entstandenen Rückstände beziffert der Vermieter wie folgt:
2007: 5.340,49 EUR |
2008: 5.836,80 EUR |
2009: 4.207,74 EUR |
2010: 2.553,34 EUR |
Die Instanzgerichte haben die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass rückständige Miete oder eine rückständige Nutzungsentschädigung nicht in Form eines Saldos eingeklagt werden kann. Vielmehr müsse der Vermieter in der Klageschrift mitteilen, welche Einzelbeträge auf die jeweiligen Monate entfallen.
Der BGH hat das Urteil aufgehoben: Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift u.a. "die bestimmte Angabe des Gegenstandes" der Klage enthalten. Von Teilen der Rechtsprechung und Literatur wird hieraus abgeleitet, dass sich aus der Klageschrift ergeben muss, welche Rückstände für welche Monate Gegenstand der Klage sind. Anderenfalls sei die Klage unschlüssig, weil der Streitgegenstand nicht festgestellt werden kann.
Gleiches gilt nach dieser Rechtsmeinung, wenn der Rückstand lediglich in Form eines Saldos dargestellt wird (KG Berlin, Urteil v. 11.3.2002, 8 U 6289/00, GE 2002 S. 796; OLG Brandenburg, Beschlüsse v. 8.5.2006, 3 W 18/06, GE 2006 S. 1169 und v. 15.1.2007, 3 W 2/07, GE 2007 S. 444; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rdn. XIV 49).
Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Die Zuordnung von Mietrückständen zu den einzelnen Monaten sei "weder für den Entscheidungsumfang des Gerichts (§ 308 ZPO) noch zur Ermittlung der Rechtskraft einer späteren gerichtlichen Entscheidung oder eine Zwangsvollstreckung von Bedeutung".
Auch nachträglicher Anspruch auf höhere ortsübliche Miete
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 14.7.1999, XII ZR 215/97, NJW 1999 S. 2808) muss der Anspruch auf die ortsübliche Miete nicht geltend gemacht werden; vielmehr besteht er von vorneherein. Ist die ortsübliche Miete höher als die vertraglich vereinbarte Miete, schuldet der Mieter vom Beginn der Vorenthaltung an den höheren Betrag. Diesen Betrag kann der Vermieter zu einem beliebigen Zeitpunkt, also auch nachträglich, geltend machen.
Eine Grenze bildet die Verjährung; insoweit gilt eine Verjährungsfrist von 3 Jahren. Im Ausnahmefall kann der Anspruch auf die höhere ortsübliche Miete verwirkt sein. Dies setzt allerdings voraus, dass der Vermieter gegenüber dem Mieter den Eindruck erweckt, dass er sich mit der vertraglich vereinbarten Miete zufriedengeben wolle.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 9.1.2013, VIII ZR 94/12, GE 2013 S. 349