Leitsatz

Die rückwirkende Änderung des Heizkostenverteilungsschlüssels ist grundsätzlich unzulässig.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 4 Satz 3 HeizkostenV; §§ 16 Abs. 3, 21 Abs. 4 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer beschließen, den Umlageschlüssel für die Heizkosten, der der Abrechnung 2011 zugrunde gelegt werden soll, von 50/50 auf 70/30 (Verbrauch/Fläche) zu ändern (die Wohnungseigentumsanlage wird über Fernwärme beheizt).
  2. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer W vor. Das Amtsgericht gibt ihm Recht. Der Beschluss entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Eine rückwirkende Änderung für abgeschlossene Abrechnungszeiträume sei grundsätzlich unzulässig. Soweit davon im Einzelfall aus besonderen Gründen abgewichen werden könne, lägen derartige Gründe nicht vor.
  3. Gegen dieses Urteil wenden sich die beklagten Wohnungseigentümer im Wege der Berufung.
 

Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Der angefochtene Beschluss widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 4 WEG. Eine rückwirkende Änderung des Heizkostenverteilungsschlüssels sei unzulässig. Hinsichtlich der Verteilung der Kosten für Wärme und Warmwasser sehe die HeizkostenV in ihrem § 6 Abs. 4 Satz 3 ein Rückwirkungsverbot vor. Die Regelung sei als strikter Rückwirkungsausschluss zu verstehen (Hinweis auf BGH v. 9.7.2010, V ZR 202/09, NJW 2010 S. 2654).
  2. Ob eine rückwirkende Änderung möglich sei, wenn der bisherige Umlageschlüssel der Heizkostenverordnung nicht entspricht, könne dahinstehen. § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizkostenV erfasse diesen Fall zwar nicht (Hinweis auf LG Berlin v. 20.4.2011, 65 S 60/11). Jedoch lägen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV nicht vor. Die Wohnungseigentumsanlage werde über Fernwärme beheizt. Zwar gelte nach § 7 Abs. 3 HeizkostenV der § 7 Abs. 1 HeizkostenV für die Verteilung der Kosten der Wärmelieferung entsprechend. Dies beziehe sich aber nicht auf Gebäude, die mit Fernwärme versorgt werden. Die Gründe, die den Verordnungsgeber zur Einführung des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV veranlasst haben, träfen auf Gebäude, die anstatt durch eine zentrale Öl- oder Gasheizung über Fernwärme beheizt werden, nicht zu.
  3. Aus dem Vorstehenden folge nicht, dass eine Verteilung von 70/30 (Verbrauch/Fläche) nicht auch für über Fernwärme belieferte Gebäude ein im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung angemessener Umlageschlüssel sein könne. Dieser Schlüssel sei jedoch auch dann, wenn die so belieferten Gebäude die Anforderungen der Wärmeschutzverordnung vom 16. August 1994 nicht erfüllen und die freiliegenden Strangleitungen der Wärmeverteilung überwiegend gedämmt sind, kein nach der Heizkostenverordnung zwingender Umlageschlüssel.
 

Kommentar

Anmerkung:

  1. Die Kosten des Betriebs zentraler Heizungsanlagen und zentraler Warmwasserversorgungsanlagen sind nach § 3 Satz 1 HeizkostenV nach der HeizkostenV zu verteilen (BGH v. 17.2.2012, V ZR 251/, NJW 2012 S. 1434 Rz. 9). Die HeizkostenV kann nicht abbedungen werden; dies gilt auch in einer Anlage mit 2 Wohnungen, wenn eine der Wohnungen vermietet ist, die andere hingegen von dem Eigentümer selbst bewohnt wird. Jeder Wohnungseigentümer kann daher nach § 21 Abs. 4 WEG grds. die Einführung einer verbrauchsabhängigen Umlage der Kosten verlangen.
  2. Ein Beschluss, der eine verbrauchsabhängige Umlage nach Maßgabe der HeizkostenV ablehnt, ist nach § 134 BGB in Verbindung mit § 3 HeizkostenV nichtig.
  3. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) HeizkostenV kann ausnahmsweise von einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten abgesehen werden. Ob ein Kostenaufwand unverhältnismäßig hoch wäre, ist zu beurteilen aufgrund eines Vergleichs der Kosten für die Installation der Messgeräte sowie des Mess- und Abrechnungsaufwands mit der möglichen Einsparung von Energiekosten. Nach der Rechtsprechung ist von einem Vergleichszeitraum von 10 Jahren auszugehen.
  4. Die nach § 6 Abs. 1 HeizkostenV geforderte Bestimmung des Umlageschlüssels kann durch Vereinbarung, und im Wege des Beschlusses nach § 16 Abs. 3 WEG getroffen werden. Innerhalb der durch §§ 7 und 8 HeizkostenV vorgegebenen Bandbreite haben die Wohnungseigentümer für die Bestimmung ein Ermessen. Die Wohnungseigentümer dürfen jeden nach der HeizkostenV zulässigen Maßstab wählen, der ihren Interessen angemessen ist und nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt. Sogar eine Umlage zu 100 % ist nach § 10 HeizkostenV auf Grundlage einer Vereinbarung zulässig – begegnet allerdings Zweifeln im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit und dürfte in der Regel nicht ordnungsmäßig sein.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Die rückwirkende Änderung von Umlageschlüsseln, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, ist in der Regel unzulässig. Sie kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände hingenommen werden, etwa wenn der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in höherem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt (BGH v. 9.7.2010, V ZR 202/09, NJW 20...

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