Leitsatz
Erfolgt die Zahlung auf ein Gesellschafterdarlehen wegen vorheriger Abtretung an einen Nichtgesellschafter, so ist sie insolvenzrechtlich anfechtbar, wenn die Rückzahlungsforderung innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung abgetreten worden ist.
Sachverhalt
Gewährt der Gesellschafter einer GmbH dieser Gesellschaft ein Darlehen, so ist sein Rückzahlungsanspruch im Falle der Insolvenz der Gesellschaft als nachrangig zu behandeln (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Zunächst sind die außerhalb der Gesellschaft stehenden Gläubiger zu befriedigen.
Eine besondere Situation ergab sich im hier näher betrachteten Fall: Der das Darlehen gewährende Gesellschafter trat die Rückzahlungsforderung noch vor der Insolvenz der Darlehensnehmerin an einen Dritten ab. Damit stellt sich ein Problem, das in der Literatur unterschiedlich bewertet wird: Verliert das nach Insolvenzrecht nachrangige Gesellschafterdarlehen eben diese Eigenschaft als Gesellschafterdarlehen, wenn wegen der Abtretung nicht mehr der Gesellschafter selbst sondern ein Nichtgesellschafter Gläubiger der Rückzahlungsforderung ist?
Entscheidung
Hiervon, so das OLG Stuttgart, sei nicht auszugehen. Der Insolvenzverwalter der Darlehensnehmerin habe sich mit Recht darauf berufen, dass das Darlehen auch nach der Abtretung als nachrangiges Gesellschafterdarlehen zu behandeln sei. Die Nachrangigkeit gelte also auch in Bezug auf den neuen Gläubiger. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn die Abtretung innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor Insolvenzantragstellung erfolge.
Deshalb habe der Insolvenzverwalter auch die Rückzahlung des Darlehens insolvenzrechtlich anfechten können, die von der Darlehensnehmerin nach der Abtretung an den neuen Gläubiger geleistet worden war. Von ihm, dem neuen Gläubiger, habe der Insolvenzverwalter die Herausgabe des Erlangten zu fordern.
Die teilweise in der Literatur vertretene anderslautende Auffassung sei abzulehnen. Nach ihr ist lediglich der abtretende Gesellschafter von der insolvenzrechtlichen Verstrickung betroffen, so dass er und nicht etwa der neue Gläubiger die Folgen zu tragen hat, wenn die Rückzahlungsforderung aus dem Darlehen in anfechtbarer Weise getilgt wird. Für den zur Begründung dieses Ergebnisses herangezogenen Freistellungsanspruch gegen den abtretenden Gesellschafter sei aber für das OLG Stuttgart keine Rechtsgrundlage erkennbar. Vielmehr könne die insolvenzrechtliche Verstrickung der Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber geltend gemacht werden. Das komme auch in § 404 BGB zum Ausdruck, der die Fortgeltung von Schuldnerrechten nach Abtretung bestimmt.
Hinweis
Die eigentlich entscheidende Frage, die das OLG Stuttgart beantwortet hat, lautet: Auf welchem Wege kann die Zahlung zurück zur insolventen Gesellschaft gezogen werden? Hat der Abtretungsempfänger das Empfangene herauszugeben oder muss der abtretende Gesellschafter zahlen? Denn dass die insolvenzrechtlichen Schutzvorschriften nicht einfach unterlaufen werden können, war schon vor dem Urteil klar. Nach dem Urteil des OLG Stuttgart treffen nun den Abtretungsempfänger die Folgen einer Insolvenz der Gesellschaft: Nachrangigkeit der noch offenen Rückzahlungsforderung oder Anfechtbarkeit von bereits geleisteten, verstrickungswidrigen Zahlungen. Vor der Reform des GmbH-Gesetzes zum 01.11.2008 war dies nur eingeschränkt der Fall, namentlich dann, wenn sich die schuldende Gesellschaft im Zeitpunkt der Abtretung bereits in der Krise befand. In der Literatur geäußerte Befürchtungen, unter der neuen Rechtslage könnte die Verkehrsfähigkeit von Gesellschafterdarlehen leiden, begegnet das OLG Stuttgart immerhin durch die Anwendung der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf die Abtretung. Entsprach diese Lösung bereits der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur, so schafft das OLG Stuttgart mit dieser Entscheidung als erstes deutsches Obergericht ein Stück mehr Rechtssicherheit für die Praxis. Sofern der Abtretungsempfänger sich gegen eine Rückzahlungspflicht absichern möchte, kann er (i) sich durch den Gesellschafter Sicherheiten bestellen lassen oder (ii) in der Abtretungsvereinbarung eine Rückgriffsmöglichkeit gegen den Gesellschafter einfügen.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2012, 14 U 27/11