Rz. 58
Das novellierte ZGB unterscheidet vier Scheidungsgründe (Art. 373 ZGB): (i) durch Einvernehmen der Ehegatten; (ii) aus Verschulden eines oder beider Ehegatten; (iii) nach einer längeren Trennung der Ehegatten und (iv) aus Gesundheitsgründen.
1. Einvernehmliche Scheidung
Rz. 59
Zu einer einvernehmlichen Scheidung kommt es entweder auf Antrag beider Ehegatten oder wenn dem Antrag eines Ehegatten die Zustimmung des anderen Ehegatten folgt. Die einvernehmliche Scheidung kann sowohl vom Gericht als auch von einem öffentlichen Notar oder dem Standesamt ausgesprochen werden.
a) Einvernehmliche gerichtliche Scheidung
Rz. 60
Für die einvernehmliche gerichtliche Scheidung sieht das ZGB keine Voraussetzungen bezüglich der Ehedauer oder des Alters der Kinder vor. Einzige Voraussetzung ist die Prüfung der freien Einwilligung der Ehegatten zur Scheidung durch das Gericht, wobei die einvernehmliche Scheidung nicht zugelassen werden kann, wenn einer der Ehegatten eine geschäftsunfähige Person ist. Über die Folgesachen müssen sich die Ehegatten nicht zwingend geeinigt haben, sondern darüber kann ein Urteil ergehen (Art. 931 NZPO). Im Zuge des Versuchs der Entlastung der Gerichte werden die Ehegatten verstärkt auf die Möglichkeiten der Mediation hingewiesen.
b) Einvernehmliche Scheidung vor dem Notar
Rz. 61
Die einvernehmliche Scheidung vor dem Notar ist im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren grundsätzlich von der Voraussetzung bestimmt, dass die Ehegatten keine gemeinsamen Kinder haben, wobei es unerheblich ist, ob die Kinder während der Ehe geboren oder sogar adoptiert wurden. Eine Ausnahme von dieser Grundregel bildet die Scheidung einer Familie mit Minderjährigen vor dem Notar, der auch in diesem Fall die Scheidung feststellen kann, sofern die Ehegatten einvernehmlich entsprechende Regelungen betreffend die Kinder und die Namen nach der Scheidung getroffen haben. Dabei unterliegen ihre Vereinbarungen betreffend die Kinder einer zusätzlichen Überprüfung durch das Jugendamt. Sollten sich die Ehegatten nicht hinsichtlich sämtlicher Punkte einigen können, wird der Antrag abgewiesen und die Herbeiführung eines gerichtlichen Urteils angestrebt.
Rz. 62
Das außergerichtliche Scheidungsverfahren ist detailliert im ZGB geregelt, wobei aus praktischer Sicht bedeutsam ist, dass der Scheidungsantrag beim Notar nicht nur persönlich, sondern auch durch einen Bevollmächtigten mit einer notariellen Spezialvollmacht eingereicht werden kann (Art. 376 ZGB). Allerdings müssen die Ehegatten nach Ablauf einer 30-tägigen Frist persönlich vor dem Notar für die Willensbekundung erscheinen. Nach Zulassung des Antrags wird eine Scheidungsbescheinigung ausgestellt. Stellt der Notar fest, dass nicht alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird er den Antrag zurückweisen und die Ehegatten auffordern, eine gerichtliche Scheidung herbeizuführen. Gegen den Zurückweisungsbeschluss des Notars gibt es keine Rechtsmittel. Im Falle einer missbräuchlichen Abweisung des Scheidungsantrags durch den Notar können die Ehegatten gerichtlich Schadensersatzansprüche geltend machen.
Rz. 63
Infolge der neuen gesetzlichen Regelungen betreffend die außergerichtliche einvernehmliche Scheidung und der Vorteile in Bezug auf das nichtöffentliche Verfahren stellt deren Quote im Jahre 2019 mehr als 65 % aller Scheidungen dar (ca. 20.000 einvernehmliche Scheidungen vor dem Notar und dem Standesamt). Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil davon von dem Notar ausgesprochen wurde.
c) Einvernehmliche Scheidung beim Standesamt
Rz. 64
Die einvernehmliche Scheidung beim Standesamt kann nur dann erfolgen, wenn die Ehegatten keine gemeinsamen Kinder haben, wobei es unerheblich ist, ob die Kinder während der Ehe geboren oder adoptiert wurden. Von dieser Regel gibt es in diesem Fall keine Ausnahme.
Rz. 65
Der Antrag wird gemeinsam von den Ehegatten gestellt, ausschließlich persönlich, und muss nicht begründet werden. Die Ehegatten müssen sich außer über die Scheidung selbst nur über den Namen nach der Scheidung geeinigt haben. Nach Ablauf einer 30-tägigen Frist, in der der Antrag zurückgenommen werden kann, müssen die Ehegatten erneut für die Willensbekundung erscheinen. Nach Zulassung des Scheidungsantrags wird eine Scheidungsbescheinigung ausgestellt.
Rz. 66
Wird der Scheidungsantrag vom Standesamt nicht zugelassen, haben die Ehegatten kein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung und müssen einen anderen rechtlichen Weg einschlagen. Im Falle einer missbräuchlichen Abweisung des Scheidungsantrags durch den Standesbeamten können die Ehegatten gerichtlich Schadensersatzansprüche geltend machen.
2. Gerichtliche Scheidung wegen Verschuldens
Rz. 67
Das Gericht kann die Scheidung wegen Verschuldens des Beklagten oder beider Ehegatten aussprechen, auch wenn keine Widerklage erhoben wurde (Art. 379 ZGB). Ergibt sich aus den Verhandlungen, dass das Scheitern der Ehe ausschließliches Verschulden des Klägers ist, ohne dass der Beklagte eine Widerklage eingelegt hätte, wird die Klage als unbegründet abgewiesen, es sei denn, dass die Voraussetzungen für eine Scheidung wegen der tatsächlichen Trennung der Ehegatten erfüllt sind (Art. 934 NZPO). Es ergibt sich daraus, dass auch im Falle einer Widerklage di...