I. Allgemeines
Rz. 27
Art. 1118 ff. ZGB regeln die testamentarische Erbfolge. Im Rahmen der Kodifizierung des Erbrechts im Dritten Teil des Zivilgesetzbuches wurden die Regelungen zur testamentarischen Erbfolge gestärkt. Dieses wird daran deutlich, dass in Art. 111 ZGB an erster Stelle als Grund für eine Erbfolge die Ernennung zum Erben durch Testament erwähnt wird, während erst an zweiter Stelle die Erbenstellung kraft Gesetzes folgt. Weiterhin zeugen von der Bedeutung, die dem Testament als Möglichkeit der Nachlassregelung eingeräumt wird, das Prinzip der Testamentsfreiheit, das Prinzip des Testamentsgeheimnisses, die Verringerung des Pflichtteils von früher zwei Drittel auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und die Erweiterung der Testamentsformen.
II. Grundsätze der Testamentserrichtung
Rz. 28
Gemäß Art. 1118 ZGB muss das Testament höchstpersönlich errichtet werden; eine Vertretung ist grundsätzlich nicht zulässig. Seit 1.7.2019 ist die Errichtung gemeinschaftlicher Testamente (siehe Rdn 40) zulässig.
Rz. 29
Weiterhin ist das Testamten grundsätzlich eigenhändig zu unterschreiben. Art. 1125 Abs. 3 ZGB sieht lediglich in den Fällen, in denen der Erblasser aufgrund von Behinderungen, schwerer Krankheit oder Analphabetismus nicht in der Lage ist, das Testament eigenhändig zu unterschreiben, vor, dass eine andere Person das Testament für den Erblasser unter Anwesenheit eines Notars unterzeichnen kann. In diesem Fall sind der Grund für die nicht eigenhändige Unterzeichnung und der volle Name und die Adresse des Vertreters anzugeben. Gemäß den Empfehlungen des Justizministeriums der RSFSR sind neben der Unterschrift auf dem Testament grundsätzlich auch handschriftlich der Familien-, Vor- und Vatersname des Vertreters auf dem Testament anzubringen, wobei die Angaben genau mit den Angaben im Pass übereinstimmen müssen.
Rz. 30
Zur Testamentserrichtung ist die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit notwendig. Somit kann grundsätzlich ein Testament ab dem 18. Lebensjahr errichtet werden. Hiervon gibt es jedoch zwei Ausnahmen: Da nach russischem Recht verheiratete Minderjährige ebenfalls unbeschränkt geschäftsfähig sind, können sie bereits ein Testament errichten. Weiterhin erlangen gem. Art. 27 ZGB Minderjährige über 16 Jahren, die bereits einer Arbeit nachgehen oder als Einzelunternehmer tätig sind, die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit, so dass sie ebenfalls testierfähig sind.
Rz. 31
Gemäß Art. 1123 ZGB gilt für alle Personen, die an der Testamentserrichtung beteiligt sind (Notar und andere Personen, wie z.B. Übersetzer, Vertreter, Zeugen), eine Schweigeverpflichtung. Sollte eine dieser Personen das Testamentsgeheimnis verletzen, ist sie dem Erblasser gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet (inkl. Schmerzensgeld). Über die Verpflichtung, das Testamentsgeheimnis zu wahren, hat der Notar gegebenenfalls andere beteiligte Personen aufzuklären (vgl. Art. 1125 Abs. 5 ZGB).
III. Testamentsformen
1. Notariell beurkundete Testamente (Grundform)
Rz. 32
Gemäß Art. 1124 Abs. 1, 1125 Abs. 1 ZGB wird ein Testament grundsätzlich schriftlich ausgefertigt – gegebenenfalls mittels technischer Mittel (PC, Schreibmaschine etc.) –, vom Erblasser unterzeichnet und notariell beurkundet. Weiterhin muss gem. Art. 1124 Abs. 4 ZGB das Testament einen Vermerk über das Datum und den Ort der Beurkundung enthalten (Ausnahme: geschlossene Testamente gem. Art. 1126 ZGB). Im Ausland sind Konsularbeamte der Russischen Föderation gem. Art. 1125 Abs. 7 ZGB i.V.m. Art. 35–38 der Gesetzesgrundlagen über das Notariat befugt, die Beurkundung durchzuführen. Grundsätzlich sind gem. Art. 1125 Abs. 7 ZGB auch Beamte der Selbstverwaltungsorgane berechtigt, Testamente zu beurkunden, wenn an einem Ort in der Russischen Föderation Notare nicht verfügbar sind.
2. Geschlossene Testamente
Rz. 33
Gemäß Art. 1126 ZGB kann der Erblasser ein Testament aufsetzen, ohne dass irgendeine weitere Person Kenntnis von dem Inhalt erhält. Ein solches geschlossenes Testament muss vom Erblasser handschriftlich aufgesetzt und unterzeichnet werden. Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, ist es unwirksam. Dieses Testament muss der Erblasser in einem verschlossenen Umschlag unter Anwesenheit von zwei Zeugen, die auf dem Umschlag unterzeichnen müssen, einem Notar übergeben. Der Notar muss den Umschlag in einen weiteren Umschlag legen, der von dem Notar mit einem Siegelabdruck versehen wird. Weiterhin muss der Notar auf dem zweiten Umschlag vermerken, von wem er den Umschlag erhalten hat, und den Ort und das Datum des Erhalts und die Namen und Anschriften der Zeugen notieren. Der Notar ist dabei verpflichtet, dem Erblasser zu erklären, dass das Testament von ihm zwingend handschriftlich errichtet und unterzeichnet sein muss, und ihn über die Pflichtteilsrechte seiner Angehörigen zu informieren. Hierüber muss ebenfalls ein Vermerk auf dem zweiten Umschlag gemacht werden. Das Testament wird bei dem Notar aufbewahrt und nach dem Tod des Erblassers vom Notar in Anwesenheit von zwei Zeugen geöffnet. Auch nach der Eröffnung des geschlossenen Testaments verbleibt das Schriftstück zur Aufbewahrung beim No...