Das Wichtigste in Kürze:

1. Die in § 21a Abs. 1 S. 1 StVO geregelte Gurtanlegepflicht und die entsprechende Bußgeldandrohung in § 49 Abs. 1 Nr. 20a StVO i.V.m. § 24 StVG sind verfassungsgemäß.
2. Tathandlung ist das unterlassene oder nicht ordnungsgemäße Anlegen des vorgeschriebenen Sicherheitsgurtes während der Fahrt.
3. Es bestehen fünf gesetzliche Ausnahmen von der Gurtpflicht. Auch behördliche Ausnahmegenehmigungen sind möglich.
4. Das Konkurrenzverhältnis zu weiteren, während der Fahrt begangenen Verkehrsverstößen ist umstritten.
5. Die für den Beweis des Verstoßes erforderlichen Feststellungen sind im Einzelfall nicht selten schwierig zu treffen.
 

Rdn 3431

 

Literaturhinweise:

Albrecht, Die Abgrenzung von Tateinheit und Tatmehrheit bei mehreren gleichzeitig begangenen Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten

NZV 2005, 62

ders., Die unbefriedigenden Lösungen zur Konkurrenz bei Verkehrsverstößen, DAR 2007, 61

Balke, Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes gemäß § 21a StVO, SVR 2014, 287

Deutscher, Gurtverstöße als Ordnungswidrigkeit, VRR 2008, 89

Halm/Scheffler, Gurtanlegepflicht "während der Fahrt", DAR 2001, 333

Hentschel, Gurtanlegepflicht trotz Unterbrechung der Fahrt?, NJW 2001, 1471

Krumm, Bußgeldverfahren wegen Gurtverstößen, SVR 2009, 90

SVR 2018, 216

Lisken, Freispruch für "Gurtmuffel" – ein Polizeiproblem?, NJW 1985, 3053

Löhle, Zu den Schutzwirkungen der Sicherungssysteme Airbag und Sicherheitsgurt …, DAR 1996, 8

Seebode, Freisprüche für "Gurtmuffel", JR 1986, 265

Struensee, Tateinheit oder Tatmehrheit, DAR 2005, 656

Walter, War der Sicherheitsgurt angelegt oder nicht?, VRR 2007, 99.

 

Rdn 3432

1. Die Zahl der "Gurtmuffel" ist bald 50 Jahre nach Einführung der Gurtanlegepflicht und über 30 Jahre nach Inkrafttreten der Bußgeldbewehrung noch immer signifikant. Von daher stellen solche Verstöße jedenfalls im städtischen Bereich einen nicht unerheblichen Anteil an den Bußgeldverfahren.

 

Rdn 3433

a) Die Pflicht zum Anlegen vorgeschriebener Sicherheitsgurte während der Fahrt ist in § 21a Abs. 1 S. 1 Hs. 1 StVO geregelt. Seit 30.6.2016 gilt diese Pflicht auch für vorgeschriebene Rollstuhl-Rückhaltesysteme und Rollstuhlnutzer-Rückhaltesysteme (§ 21a Abs. 1 S. 1 Hs. 2 StVO). S. 2 der Vorschrift führt gesetzliche Ausnahmen der Gurtpflicht auf (vgl. Rdn 3445). Der Verstoß gegen die Anschnallpflicht ist bußgeldbewehrt in § 49 Abs. 1 Nr. 20a StVO i.V.m. § 24 StVG.

 

☆ Nach § 21 Abs. 1a StVO besteht die Pflicht, Kinder bis 12 Jahren nur unter Benutzung geeigneter Rückhalteeinrichtungen ( Kindersitz ) mitzunehmen (hierzu OLG Hamm NZV 2015, 199 = DAR 2014, 150 = VRR 2014, 152; AG Köln NZV 2005, 598)."Kindersitz") mitzunehmen (hierzu OLG Hamm NZV 2015, 199 = DAR 2014, 150 = VRR 2014, 152; AG Köln NZV 2005, 598).

 

Rdn 3434

b) Hintergrund der Normen ist die Tatsache, dass durch den ordnungsgemäß angelegten Gurt bei Kollisionen die Verletzungs- bzw. Tötungsgefahr aufgehoben oder zumindest erheblich vermindert wird (OLG Hamm DAR 2008, 34 = VRR 2008, 74). Der früher erhobene Einwand, durch den Gurt könnten im Einzelfall die Verletzungen verschlimmert werden, hat sich nicht erwiesen, da dies allenfalls in 0,5–1 % der Fälle gegeben ist und somit der Nutzen die Nachteile deutlich überwiegt (Hentschel/König/Dauer/König, § 21a StVO Rn 2 m. Nachw.). Von einem verantwortungsbewussten Kraftfahrer kann daher das Anlegen des Gurtes erwartet werden (BGHZ 74, 25 = NJW 1979, 1363; OLG Karlsruhe [Z] NZV 1989, 470).

 

☆ Zu Einzelheiten der verschiedenen Gurtsysteme und zur Rechtsentwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz s. das Stichwort Sicherheitsgurt bei www.wikipedia.de . Zur Schutzwirkung von Sicherheitsgurten näher Löhle DAR 1996, 8.verschiedenen Gurtsysteme und zur Rechtsentwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz s. das Stichwort "Sicherheitsgurt" bei www.wikipedia.de. Zur Schutzwirkung von Sicherheitsgurten näher Löhle DAR 1996, 8.

 

Rdn 3435

Folge der gesetzlichen Gurtpflicht ist zivilrechtlich, dass dem Geschädigten bei Verletzungen, die auf das Nichtanlegen des Gurtes zurückzuführen sind, ein Mitverschuldensvorwurf gemacht werden kann (BGH [Z] NJW 2001, 1485; NJW 2012, 2027 = DAR 2012, 386 = VRR 2012, 184; zur zivilrechtlichen Seite eingehend Hentschel/König/Dauer/König, § 21a StVO Rn 20–27).

 

☆ Bei fahrlässiger Tötung/Körperverletzung einer nicht angeschnallten Person kann strafmildernd berücksichtigt werden, dass das unterlassene Anschnallen zur Herbeiführung des Todes bzw. der Verletzung beigetragen hat (BayObLG VRS 55, 269; OLG Dresden DAR 1999, 36; OLG Hamm VRS 60, 32).fahrlässiger Tötung/Körperverletzung einer nicht angeschnallten Person kann strafmildernd berücksichtigt werden, dass das unterlassene Anschnallen zur Herbeiführung des Todes bzw. der Verletzung beigetragen hat (BayObLG VRS 55, 269; OLG Dresden DAR 1999, 36; OLG Hamm VRS 60, 32).

 

Rdn 3436

c) Die gesetzliche Pflicht zum Anlegen des Sicherheitsgurtes und die entsprechende Bußgeldbewehrung sind verfassungsgemäß (BVerfG NJW 1987, 180; BayObLG VRS 69, 150; OLG Düsseld...

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