Dr. Axel Deutscher, Detlef Burhoff
Rdn 3467
Literaturhinweise:
Deutscher, Erste praktische Erfahrungen mit der OWiG-Reform aus gerichtlicher und behördlicher Sicht, NZV 1999, 185
ders., Zur beabsichtigten Erhöhung der Bußgelder bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, VRR 2007, 12
Scheffler/Matthies., Zum rechtlichen Gehör bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, NZV 2007, 607.
Rdn 3468
1. Die StA spielt im Bußgeldverfahren eine deutlich kleinere Rolle als im Strafverfahren.
Rdn 3469
a) Im Strafverfahren ist die StA auch für die Verfolgung der Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der OWi zuständig (§ 40). Diese primäre Zuständigkeit umfasst zunächst Fälle der materiellen Tateinheit von Straftat und OWi, in welchen allerdings nach § 21 die OWi mit Ausnahme der sich aus ihr ergebenden Nebenfolgen zurücktritt, es sei denn, eine Strafe wird nicht verhängt. Hauptanwendungsbereich ist aber die prozessuale Tat (Göhler/Gürtler/Thoma, § 40 Rn 1; Fallübersicht bei KK/Lampe, § 40 Rn 8 bis 13). Dabei ist praktisch bedeutsam, dass der BGH (NZV 2005, 52) den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln und die zeitgleiche Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG als zwei prozessuale Taten ansieht, wenn das Mitsichführen der Betäubungsmittel in keinem inneren Zusammenhang mit dem Fahrvorgang steht, was eine getrennte Verfolgung von Straftat und Ordnungswidrigkeit ermöglicht. Dieser Zusammenhang besteht nach der Rechtsprechung allerdings, wenn die Fahrt hauptsächlich dem Drogentransport diente (BGH NZV 2010, 39 = VRR 2009, 391; NZV 2012, 250 m. Anm. Krumm NZV 2012, 210 = VRR 2011, 308 m. Anm. Deutscher nimmt bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs weitergehend eine materielle Tateinheit an; → Drogenfahrt, Allgemeines, Rdn 753).
Rdn 3470
b) Korrespondierend ist die Verwaltungsbehörde nach § 41 zur Abgabe an die StA verpflichtet, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Tat eine Straftat ist. Erfolgt eine Einstellung des Verfahrens wegen der Straftat, wird die Sache nach § 43 Abs. 1 an die Verwaltungsbehörde zur Verfolgung der OWi abgegeben (vgl. OLG Celle NZV 2000, 94; zum anwaltlichen Gebührenrecht in diesen Fällen → Vergütung des Verteidigers im OWi-Verfahren, Rdn 3787).
☆ Typischer Fall ist die Abgabe an die Verwaltungsbehörde beim Verdacht einer fahrlässigen Körperverletzung im Zusammenhang mit einem Verkehrsverstoß, wenn der Strafantrag fehlt und das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung verneint wird (§ 230 StGB). ist die Abgabe an die Verwaltungsbehörde beim Verdacht einer fahrlässigen Körperverletzung im Zusammenhang mit einem Verkehrsverstoß, wenn der Strafantrag fehlt und das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung verneint wird (§ 230 StGB).
Rdn 3471
Eine sekundäre Zuständigkeit ergibt sich aus § 42 Abs. 1, wonach die StA die Verfolgung der OWi bis zum Erlass des Bußgeldbescheids übernehmen kann, wenn zwischen dieser und der verfolgten Straftat ein Zusammenhang besteht. In diesem Fall erstreckt sich eine Anklage auch auf die OWi, soweit insofern hinreichender Tatverdacht besteht (§ 64).
Rdn 3472
2. Herrin des bußgeldrechtlichen EV ist hingegen im hier relevanten Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten die Verwaltungsbehörde (§ 35). Unbeschadet der zuvor dargestellten Möglichkeiten beschränkt sich die Beteiligung der StA auf folgende Punkte:
Rdn 3473
a) Im Zwischenverfahren nach Einlegung des Einspruchs übersendet die Verwaltungsbehörde die Akten über die StA an das AG, wobei die StA zur Verfolgungsbehörde wird, die das Verfahren einstellen oder weitere Ermittlungen anstellen kann (§ 69 Abs. 3 und 4; Einzelh. → Zwischenverfahren, Rdn 4331).
☆ Hiervon wird in der Praxis so gut wie nie Gebrauch gemacht , was angesichts des Charakters als Massenverfahren nicht verwundert. Der Verteidiger muss sich daher mit seinen rechtlichen und taktischen Überlegungen auf das gerichtliche Verfahren einrichten (vgl. Scheffler/Matthies NZV 2007, 607 f.).nie Gebrauch gemacht, was angesichts des Charakters als Massenverfahren nicht verwundert. Der Verteidiger muss sich daher mit seinen rechtlichen und taktischen Überlegungen auf das gerichtliche Verfahren einrichten (vgl. Scheffler/Matthies NZV 2007, 607 f.).
Rdn 3474
b)aa) Anders als im Strafverfahren (§ 226 StPO) ist die StA zur Teilnahme an der HV nicht verpflichtet (§ 75 Abs. 1).
☆ Nimmt sie nicht teil , bedarf es nach § 75 Abs. 2 weder ihrer Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 noch zur Rücknahme des Einspruchs in der HV (→ Einstellung des Verfahrens nach § 47, Verfahren und Kosten , Rdn 1039 ). Das gilt auch für die Teilrücknahme durch Einspruchsbeschränkung (OLG Hamm, Beschl. v. 24.7.2014 – 1 RBs 124/14, zfs 2015, 170 m. Anm. Krenberger ) sie nicht teil, bedarf es nach § 75 Abs. 2 weder ihrer Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 noch zur Rücknahme des Einspruchs in der HV (→ Einstellung des Verfahrens nach § 47, Verfahren und Kosten, Rdn 1039). Das gilt auch für die Teilrücknahme durch Einspruchsbeschränkung (OLG Hamm, Beschl. v. 24.7.2014 – 1 RBs 124/14, ...