Rdn 4102

 

Literaturhinweise:

R. Hamm, Die Verteidigungsschrift im Verfahren bis zur Hauptverhandlung, StV 1982, 490

Rode, Soll sich der Beschuldigte außerhalb der Hauptverhandlung äußern und gegebenenfalls wie?, StraFo 2003, 42

Vogel, Psychologie im Ermittlungs- und im Zwischenverfahren Oder: von (schl)echter und halber Strafverteidigung, StraFo 2020, 223

Wehnert, Verteidigung in den einzelnen Abschnitten des Strafverfahrens, in: MAH § 5

s.a. die Hinw. bei → Einlassung des Beschuldigten, Teil E Rdn 2017.

 

Rdn 4103

1. Der Verteidiger kann im EV jederzeit für seinen Mandanten Erklärungen abgeben. Geschieht dies in schriftlicher Form, spricht man von einer "Schutzschrift". An sich wäre der Begriff "Verteidigungsschrift" der bessere (s.a. Wehnert, in: MAH § 5 Rn 36). "Schutzschrift" erinnert zu sehr an "Schutzbehauptung" des Beschuldigten und damit, da diese häufig als unwahr angesehen wird, an etwas "Negatives". Da in der Praxis jedoch meist immer noch von "Schutzschrift" gesprochen wird (s. z.B. Dahs, Rn 440), soll der Begriff auch hier verwendet werden.

 

Rdn 4104

2.a) Die verschiedenen Arten und Formen von Schutzschriften ergeben sich aus dem Ziel, das der Verteidiger mit ihnen erreichen will. Allgemein ist vorab auf Folgendes hinzuweisen: Keine Einigkeit besteht zu der der Frage, ob es überhaupt zweckmäßig ist, eine Schutzschrift einzureichen. Während Dahs (a.a.O.) erhebliche Zweifel an der Zweckmäßigkeit hat, in einigen Fällen die Einreichung sogar als "Prozessdummheit" ansieht und deshalb grds. von einer Schutzschrift abrät, stellen R. Hamm (StV 1982, 492) und Bosbach (Rn 296 auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ab. Zutreffend gehen sie davon aus, dass es demgemäß weder richtig ist, immer eine Schutzschrift einzureichen, noch es richtig sein kann, nie eine Schutzschrift anzubringen (R. Hamm StV 1982, 500). Bosbach (Rn 297) meinen: "Der Verteidiger muss ganz einfach ein Gespür dafür haben, wann eine Verteidigungsschrift opportun ist und wie weit er in ihr gehen darf. Das ist nicht einfach." (s.a. Vogel StraFo 2020, 223, 224 f.; zu den zu beachtenden Regeln Teil S Rdn 4106).

 

☆ Es ist auf jeden Fall bei den Überlegungen: Schutzschrift, ja oder nein?, zu berücksichtigen, dass sich die Schutzschrift als Verteidigungsmittel abnutzt , wenn er von ihr ständig Gebrauch macht. Deshalb gilt auch hier: Weniger ist mehr! Eine Schutzschrift sollte daher nur dann eingereicht werden, wenn der Verteidiger sich von ihr tatsächlich etwas Positives verspricht ( Bosbach , Rn 298; s. wohl a. Vogel StraFo 2020, 223, 224 f.). Die Schutzschrift ist kein Mittel, um gegenüber dem Mandanten einen Arbeitsnachweis zu erbringen.Verteidigungsmittel abnutzt, wenn er von ihr ständig Gebrauch macht. Deshalb gilt auch hier: "Weniger ist mehr!" Eine Schutzschrift sollte daher nur dann eingereicht werden, wenn der Verteidiger sich von ihr tatsächlich etwas Positives verspricht (Bosbach, Rn 298; s. wohl a. Vogel StraFo 2020, 223, 224 f.). Die Schutzschrift ist kein Mittel, um gegenüber dem Mandanten einen "Arbeitsnachweis" zu erbringen.

 

Rdn 4105

b) Darüber hinaus gilt wegen der Ziele einer Schutzschrift im Einzelnen:

Sofern sich der Beschuldigte noch nicht zur Sache eingelassen hat, kann sich die Schutzschrift inhaltlich auch darin erschöpfen, das beabsichtigte Einlassungsverhalten des Beschuldigten mitzuteilen, also eine Einlassung werde im EV nicht, werde in der HV oder werde auch in der HV nicht abgegeben (Dahs, Rn 443). Damit kennt das Gericht die allgemeine Richtung der Verteidigung und kann sich für die Vorbereitung der HV darauf einstellen.
Die Schutzschrift kann natürlich auch die Einlassung des Beschuldigten enthalten, die dann kommentarlos mitgeteilt wird (→ Einlassung des Beschuldigten, Teil E Rdn 2017; s. das Antragsmuster bei Teil E Rdn 2041; dazu auch Rode StraFo 2003, 41).
Der Verteidiger kann die → Einstellung des Verfahrens, Allgemeines, Teil E Rdn 2042, m.w.N., anregen und einen entsprechenden Antrag stellen. Diesen wird er dann aber ebenfalls begründen. In diesem Bereich muss der Verteidiger immer auch daran denken, dass eine umfangreiche Schutzschrift, in der z.B. zahlreiche Zeugen benannt und weitere Ermittlungen beantragt werden, deren Erledigung zu einer Ausweitung und Verzögerung des Verfahrens führen würde, sowohl bei StA als auch später beim Gericht die Bereitschaft fördern wird, das Verfahren, falls das rechtlich möglich ist, nach den §§ 153, 153a einzustellen (Dahs, Rn 440). Allerdings muss der Verteidiger darauf achten, hier nicht in den Bereich der strafbaren Strafvereitelung durch bewusste Verfahrensverzögerung zu kommen (dazu u.a. Dahs, Rn 75), was vom Einzelfall abhängt.
Ist das Verfahren bereits bis zum → Eröffnungsverfahren, Teil E Rdn 2356, fortgeschritten, kann der Verteidiger auch in diesem Stadium noch eine Schutzschrift einreichen. Dann wird sie i.d.R. die → Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens, Teil E Rdn 2234, enthalten, deren Geltendmachung der Verteidiger sorgfältig zu überlegen hat.

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