Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 28.07.2003; Aktenzeichen 5-4/03 IV) |
StA Saarbrücken (Aktenzeichen 20 Js 2162/02) |
Tenor
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Gründe
Der Beschwerdeführer, der dem inhaftierten Angeklagten mit Beschluss des Vorsitzenden der Jugendkammer vom 16.5.2003 zum Verteidiger bestellt worden und der im Vorverfahren tätig war, hat den Angeklagten in der eintägigen Hauptverhandlung vor der Großen Strafkammer vertreten. Gegen das Urteil vom 19.5.2003 hat er namens seines Mandanten am 26.5.2003 fristgerecht Revision eingelegt und zugleich gestützt auf die nicht ausgeführte allgemeine Sachrüge Aufhebung des Urteils beantragt. Noch vor Zustellung des schriftlichen Urteils und Vorlage der Akten an den BGH als Revisionsgericht hat er erklärt, die Revision "nach erneuter Erörterung der Angelegenheit mit dem Mandanten" zurückzunehmen. Seinem Antrag - neben den antragsgemäß festgesetzten Gebühren für die Verteidigung im ersten Rechtszug - für das Revisionsverfahren in analoger Anwendung des § 84 Abs. 2 BRAGO die volle Gebühr des § 86 Abs. 1 BRAGO i.H.v. 5 × 90 Euro = 450 Euro festzusetzen, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des LG nicht entsprochen, sondern lediglich die gem. § 86 Abs. 3 BRAGO entstandene halbe Gebühr des § 86 Abs. 1 BRAGO i.H.v. 5 × 45 Euro = 225 Euro festgesetzt. Die Erinnerung des Verteidigers gegen die Absetzung der hälftigen Gebühr hat der Vorsitzende der Jugendkammer mit Beschluss vom 28.7.2003 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger Beschwerde eingelegt, welcher der Vorsitzende der Jugendkammer nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen den Beschluss des Vorsitzenden ist zulässig (§§ 98 Abs. 3 BRAGO, 304 Abs. 1, 306 Abs. 2 StPO), insb. ist der Beschwerdewert von 50 Euro überschritten (§§ 98 Abs. 3 BRAGO, 304 Abs. 3 S. 2 StPO). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Dem Beschwerdeführer steht der auf eine analoge Anwendung des § 84 Abs. 2 BRAGO gestützte höhere Gebührenanspruch nicht zu. Nach dieser Vorschrift erhält der Verteidiger, durch dessen Mitwirkung die Hauptverhandlung erster Instanz entbehrlich wird, die vollen Gebühren des § 83 Abs. 1 BRAGO, wenn das Verfahren nicht nur endgültig eingestellt wird oder das Gericht beschließt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen oder sich das gerichtliche Verfahren durch Zurücknahme des Einspruchs gegen einen Strafbefehl erledigt.
Für das Berufungsverfahren erklärt § 85 Abs. 4 BRAGO die Regelung des § 84 Abs. 2 BRAGO für entsprechend anwendbar, falls der Rechtsanwalt nur außerhalb der Hauptverhandlung tätig ist oder eine Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht nicht stattfindet. Durch diese Verweisung wird die Vergütungsverbesserung des § 84 Abs. 2 BRAGO für die ursächliche Mitwirkung des Verteidigers bei der Verfahrenseinstellung und bei der die Hauptverhandlung ersparenden Rücknahme des Rechtsmittels auch auf das Berufungsverfahren erstreckt (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 85 Rz. 5).
Der Auffassung des Beschwerdeführers, diese für das Berufungsverfahren vorgesehene Vergütungsverbesserung müsse auch im Revisionsverfahren gelten, seine für die Rücknahme der Revision ursächliche Tätigkeit sei - wie bei Rücknahme der Berufung vor der Berufungshauptverhandlung - in analoger Anwendung des § 84 Abs. 2 BRAGO ebenfalls mit der vollen Gebühr zu vergüten, kann nicht gefolgt werden.
Die analoge Anwendung der gebührenrechtlichen Vorschrift, der weder verfassungsrechtliche Bedenken noch die Regelung des § 2 BRAGO (insoweit zutreffend LG Hamburg JurBüro 2001, 301) entgegenstehen, käme nach allgemeinen Grundsätzen nur in Betracht, wenn der zu entscheidende Fall von dem gesetzlichen Normalfall nur unwesentlich abweicht, also rechtsähnlich ist, und gesetzlich gerade nicht geregelt ist (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Einl. Rz. 198 ff. m.w.N.). In der hier zu entscheidenden Fallkonstellation fehlt es nach Auffassung des Senats an beiden Voraussetzungen, wobei offen bleiben kann, ob eine analoge Anwendung der Vorschrift im Falle der Mitwirkung des Verteidigers an einer Einstellung des Verfahrens (so LG Hamburg JurBüro 2001, 301) oder bei einer Rücknahme der Revision nach Anhängigkeit bei dem Revisionsgericht gerechtfertigt wäre.
Von einer planwidrigen Regelungslücke kann bereits nach dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der gesetzlichen Regelungen nicht ausgegangen werden. In § 86 Abs. 4 BRAGO, der das Revisionsverfahren in Strafsachen gebührenrechtlich regelt, fehlt eine dem § 85 Abs. 4 BRAGO entsprechende Verweisung, so dass der Rechtsanwalt gem. § 86 Abs. 3 BRAGO nur die Hälfte der Gebühr des § 86 Abs. 1 BRAGO erhält, wenn er - wie hier - nur außerhalb der Hauptverhandlung tätig geworden ist oder eine Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht stattfindet. Der Wortlaut der vorgenannten unterschiedlichen Regelungen ist eindeutig und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Von einem redaktionellen Versehen oder einer (ungewollten...