Leitsatz (amtlich)
1. Magen- und Darmbeschwerden sowie Angstzustände einer Lehramtsanwärterin vor Unterrichtsbeginn sind nicht generell anzeigepflichtig bei Abschluss eines Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages.
2. Die Voraussetzungen einer konkreten Verweisung müssen zum Zeitpunkt des behaupteten Eintritts des Versicherungsfalls vorliegen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 17.07.2006; Aktenzeichen 14 O 202/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Saarbrücken vom 17.7.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrte mit einem bei der Antragsgegnerin am 30.1.2001 eingegangenen Antrag vom 1.12.2000 den Abschluss eines Risikolebens- und eines Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrages. In dem Antragsformular wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass jede bis zur Annahme des Antrags noch eintretende oder bekannt werdende nicht unerhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands unverzüglich schriftlich anzuzeigen sei. Die Antragsgegnerin stellte am 29.3.2001 einen Versicherungsschein aus, der - nach Unterzeichnung einer Zusatzerklärung durch die Antragstellerin - mit dem 10.4.2001 wirksam wurde und der Antragstellerin für den Fall ihrer Berufsunfähigkeit eine Rente i.H.v. 1.500 DM monatlich versprach. Als Beginn der Versicherung wurde der 1.12.2000 bezeichnet. Nach dem Versicherungsvertrag liegt Berufsunfähigkeit nicht vor, wenn "der Versicherte eine konkrete Tätigkeit ausübt und ein Einkommen erzielt, welches seiner bisherigen Lebensstellung entspricht."
Die Antragstellerin war seit 1.5.2000 Anwärterin für das Lehramt an Grundschulen in Hessen. Ihr Ausbildungsplan sah vor, dass sie ab dem 1.8.2000 6-8 Wochenstunden eigenverantwortlich Unterreicht leitete und ab dem 1.2.2001 16 Wochenstunden. Ab März/April 2001 setzten bei ihr - wie die Antragsgegnerin im Prozesskostenhilfeverfahren unstreitig gestellt hat - sich in der folgenden Zeit mit der verstärkten selbständigen Leitung des Unterrichts verschlimmernde Beschwerden - Magenkrämpfe, Essstörungen, Panikattacken, Schlafstörungen, Weinkrämpfe, Kopfschmerzen - in den Nächten und am Morgen vor dem Unterrichtsbeginn ein. Die Antragstellerin begab sich weder in ärztliche Behandlung noch nahm sie Medikamente ein, gab aber die Ausbildung im Oktober 2001 auf, weil sie sich außer Stande fühlte, vor Schulklassen zu treten, wurde schwanger, gebar ein Kind und widmete sich dessen Erziehung, bis sie am 1.11.2003 die Ausbildung wieder aufnahm, die sie jedoch am 26.2.2004 auf ärztliches Anraten - es lägen schwere psycho-vegetative Störungen mit Angst- und Panikattacken, die aus gesundheitlichen Gründen einen Berufswechsel dringend erforderlich erscheinen ließen, vor - endgültig aufgab. Am 10.12.2004 begann sie eine Ausbildung zur Hufpflegerin; während der Ausbildung erhielt sie einen Existenzgründungszuschuss von monatlich 600 EUR durch die Arbeitsverwaltung, im Übrigen jedoch keine Vergütung; sie hat die Ausbildung am 5.11.2005 abgeschlossen und übt den Beruf der Hufpflegerin bei einem Einkommen von 300 EUR netto monatlich und einem weiteren Existenzgründungszuschuss von 360 EUR monatlich durch die Arbeitsverwaltung seither aus.
Die Antragstellerin hält sich für berufsunfähig seit Oktober 2001 und beansprucht eine Rente ab März 2004. Die Antragsgegnerin ist von dem Vertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit zurückgetreten und wendet sich dagegen, dass dauernde Berufsunfähigkeit vorliege; im Übrigen verweist sie die Antragstellerin auf die von ihr ausgeübte Tätigkeit als Hufpflegerin. Den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das LG Saarbrücken durch Beschl. v. 24.8.2006 - 14 O 202/06 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragsgegnerin sei wegen des von ihr erklärten Rücktritts vom Vertrag leistungsfrei. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat schon auf der Grundlage des Vortrags der Antragstellerin keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
1. Allerdings hat das LG zu Unrecht darauf abgestellt, die Antragsgegnerin sei infolge des von ihr erklärten Rücktritts vom Versicherungsvertrag (§ 16 Abs. 2 VVG) nicht verpflichtet, der Antragstellerin eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen. Denn die Antragsgegnerin hat weder dargelegt noch unter geeigneten Beweis gestellt, dass die Antragstellerin ihre vorvertraglich bestehende Obliegenheit zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände (§ 16 Abs. 1 VVG) verletzt hat.
Allerdings bestand die vorvertragliche Obliegenheit zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände bis zum wirksamen Abschluss des Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrages am 10.4.2001. Die Antragsgegnerin hatte die Obliegenheit für den Zeitraum zwischen Antragstellung und wirksamer Policierung jedoch, der Rechtsprechung zur sog. Nachmeldeobliegenheit folgend, dahin modifiziert, dass ein Rücktrittsrecht abweichend von §§ ...