Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgangsrecht: Kein Umgangsausschluss ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens
Leitsatz (amtlich)
Zur - § 26 FamFG geschuldeten - Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur zuverlässigen Ermittlung des wahren Kindeswillens, wenn ein zehnjähriges Kind einen Umgang mit dem nicht betreuenden Elternteil verbal ablehnt.
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 4; FamFG §§ 26, 89 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Saarbrücken (Beschluss vom 24.11.2011; Aktenzeichen 54 F 98/11 UG) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 24.11.2011 - 54 F 98/11 UG - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das AG - Familiengericht - in Saarbrücken zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
3. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
4. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 17.2.2012 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, bewilligt.
Gründe
I. Aus der Beziehung des Antragstellers (Vater) und der Antragsgegnerin (Mutter), die weder miteinander verheiratet waren noch sind, ging am 19.8.2001 der verfahrensbetroffene Sohn M. hervor, der seit der Trennung der Eltern im Juni 2008 bei der Mutter lebt. Seitdem streiten sich die Eltern u.a. um das Umgangsrecht des Vaters mit M..
Im Verfahren 52 F 238/08 UG schlossen die Eltern mehrere sehr detaillierte Vereinbarungen, zuletzt - unter Abänderung und Ergänzung einer vorangegangenen, zum Beschluss erhobenen Vereinbarung vom 13.10.2009 - die Vereinbarung vom 13.4.2010, die das Familiengericht gerichtlich billigte und mit einer Folgenankündigung nach § 89 Abs. 2 FamFG versah. Nachdem die Mutter entgegen ihrer in diesem gerichtlich gebilligten Vergleich titulierten Verpflichtung dem Vater den Reisepass für M. an zwei Wochenenden im Juni 2010 nicht mitgegeben hatte, verhängte der Senat gegen sie - in Abänderung einer Entscheidung des Familiengerichts - mit Beschl. v. 9.11.2010 - 6 WF 106/10 - ein Ordnungsgeld von 200 EUR. Mit Beschl. v. 26.11.2010 - 6 WF 118/10 - (ZKJ 2011, 104) bestätigte der Senat ein vom Familiengericht gegen die Mutter festgesetztes Ordnungsgeld von 100 EUR, nachdem diese einen Kindergeburtstag auf ein seit Monaten feststehendes Umgangswochenende des Vaters gelegt und den Umgang deshalb nicht gewährt hatte. Zwei weitere Ordnungsgelder von insgesamt 250 EUR ordnete das Familiengericht gegen die Mutter mit Beschl. v. 7.1.2011 - 52 F 238/08 UF - an, weil diese dem Vater erneut zu zwei Umgangsterminen im September 2010 den Reisepass von M. nicht ausgehändigt hatte. Gegen diesen Beschluss wurde kein Rechtsmittel eingelegt.
Im vorliegenden Verfahren hat der - durchgängig nicht anwaltlich vertretene - Vater mit am 21.3.2011 eingegangenem Antrag, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, Wochenend- und Ferienumgang mit M. begehrt. Die Mutter ist dem Antrag entgegengetreten und hat zuletzt einen Ausschluss des väterlichen Umgangsrechts erstrebt.
Das Familiengericht hat das Verfahren zunächst nicht betrieben, weil es rechtsfehlerhaft der Auffassung gewesen ist, der Vater müsse zuvor Kostenvorschuss leisten. Auf Untätigkeitsbeschwerde des Vaters hat der Senat das Familiengericht mit Beschl. v. 10.10.2011 - 6 WF 104/11 - (FamRZ 2012, 319) angewiesen, das Verfahren mit äußerster Beschleunigung weiterzuführen.
Im Termin vom 3.11.2011 - in dem weder das Jugendamt noch der zwischenzeitlich für M. bestellte Verfahrensbeistand einen eigenen Antrag gestellt haben - hat das Familiengericht M. im Beisein seines Verfahrensbeistandes, die Eltern und die Sachbearbeiterin des Jugendamts persönlich angehört. Der Vater hat in seiner Anhörung mit Nachdruck Umgang und eine "fach- und kindgerechte" Erforschung des wahren Willens von M. eingefordert.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 24.11.2011, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht das Umgangsrecht des Vaters mit M. - so der Beschlusstenor - "für die Dauer von vierundzwanzig Monaten" (S. 3 der Gründe: "zwölf Monate"; S. 5 der Gründe im konkreten Zusammenhang mit der Begründung der Ausschlussdauer: "vierundzwanzig Monate") ausgeschlossen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Vaters, mit der er zuletzt vorrangig die Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Beschlusses erstrebt, weil das Familiengericht verfahrensfehlerhaft den wahren Willen von M. nicht durch einen Psychologen ermittelt hat. Außerdem sei die Ausschlussfrist viel zu lang und eine Umgangsregelung unter Einbindung des Großvaters nicht erwogen worden.
Die Mutter, die um Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nachsucht, und der Verfahrensbeistand bitten unter Verteidigung des angegangenen Erkenntnisses um Zurückweisung der Beschwerde.
Das - angehörte - Jugendamt hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Dem Senat hab...