Leitsatz (amtlich)

1. Behauptet ein Patient, vor einem ärztlichen Eingriff nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein, so ist dem Patienten Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung wegen der dem Arzt nachteiligen Beweislastverteilung Aussicht auf Erfolg bietet.

2. Den Nachweis einer zutreffenden Aufklärung kann der Arzt nicht allein mit Hilfe eines Aufklärungsformulars führen.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 17.03.2003; Aktenzeichen 16 O 26/03)

 

Tenor

Der Beschluss des LG in Saarbrücken vom 17.3.2003 – 16 O 26/03 – i.d.F. des Nichtabhilfebeschlusses vom 20.5.2003 wird abgeändert und der Antragstellerin für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und RA Dr. Sch., Saarbrücken, beigeordnet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

1. Soweit die Antragstellerin einen Aufklärungsmangel geltend macht, verspricht die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

a) Der Nachweis der vollständigen und zutreffenden Ausführung obliegt grundsätzlich dem Arzt (BGH v. 26.6.1990 – VI ZR 289/89, MDR 1990, 996 = NJW 1990, 2928 f.; OLG Saarbrücken v. 10.9.1997 – 1 U 29/97-21, OLGReport Saarbrücken 1997, 286). Deshalb sind einer auf einen Aufklärungsmangel gestützten Klage des Patienten grundsätzlich Erfolgsaussichten beizumessen. Der Nachweis einer zutreffenden Aufklärung kann durch den Arzt nicht allein mit Hilfe eines Aufklärungsformulars geführt werden. Aushändigung und Unterzeichnung von Merkblättern ersetzen nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch. Die Existenz einer unterschriebenen Einwilligungserklärung kann nur ein Indiz dafür sein, dass überhaupt ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat (BGH v. 8.1.1985 – VI ZR 15/83, MDR 1985, 923 = NJW 1985, 1399). Darum sind vorliegend beide Parteien über den Inhalt des Aufklärungsgesprächs zu hören (BGH v. 16.1.2001 – VI ZR 381/99, MDR 2001, 448 = BGHReport 2001, 234 = NJW 2001, 1431). Da dem von der Antragstellerin unterzeichneten Formular für die abschließende Würdigung, ob eine ordnungsgemäße Aufklärung stattgefunden hat, lediglich Indizwert zukommt, können der beabsichtigten Klage im Blick auf die dem Beklagten nachteilige Beweislastverteilung Erfolgsaussichten nicht abgesprochen werden. Andernfalls könnte einem Patienten, der ein Aufklärungsformular unterschrieben hat, für eine auf einem Aufklärungsmangel beruhende Klage niemals Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

b) Außerdem ist das von dem Beklagten verwendete Aufklärungsformular im Unterschied zu der Entscheidung OLG München (OLG München v. 10.2.1999 – 1 W 687/99, OLGReport München 1999, 317) höchst allgemein gefasst. Behauptet der Patient, die ihm erteilte Aufklärung stimme nicht mit dem allgemein gehaltenen Aufklärungsformular überein, so entfällt der Indizwert des Schriftstücks (BGH NJW 1999, 863 f.). So verhält es sich im Streitfall. Denn die Antragstellerin hat geltend gemacht, i.V.m. dem schriftlichen Hinweis, dass „keine Garantie für den kosmetischen Erfolg übernommen” werde, sei sie auf die Möglichkeit einer Verschlechterung des kosmetischen Zustands nicht hingewiesen worden. Es liegt aber auf der Hand, dass ein Patient, der eine Verbesserung seines optischen Erscheinungsbildes wünscht und erwartet, über die Gefahr einer Verschlechterung aufgeklärt werden muss.

2. Im Rahmen des nunmehr durchzuführenden Klageverfahrens wird die Klägerin auch Gelegenheit haben, die Schlussfolgerungen des Sachverständigen, wonach kein Behandlungsfehler vorliegt, anzugreifen und in Frage zu stellen.

Theis Dr. Gehrlein Fritsch-Scherer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1109366

ArztR 2004, 264

MDR 2003, 1291

OLGR-KSZ 2003, 281

www.judicialis.de 2003

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