Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 03.05.2016; Aktenzeichen 40 F 146/15 VKH1)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 3.5.2016 - 40 F 146/15 VKH1 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG - Familiengericht - in Saarbrücken zurückverwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde und mit dieser Maßgabe nach § 113 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige "Beschwerde" der Antragstellerin hat einen vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.

Der Senat vermag die Auffassung des Familiengerichts, dem Stufenantrag der Antragstellerin könne keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO) beigemessen werden, nicht zu teilen. Diese Sicht des Familiengerichts überspannt die Anforderungen, welche die von der Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 i.V.m. 20 Abs. 3 GG entwickelten Grundsätze an die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung stellen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Verfahrenskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptverfahrens treten zu lassen. Das Verfahrenskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dies bedeutet zugleich, dass Verfahrenskostenhilfe nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. dazu grundlegend BVerfGE 81, 347; siehe auch Senatsbeschlüsse vom 18.12.2015 - 6 WF 156/15 -, vom 29.7.2011 - 6 WF 72/11 -, FamRZ 2012, 807, und vom 21.2.2011 - 6 WF 140/10 -, NJW 2011, 1460; Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 20.3.2013 - 9 WF 453/12 -).

Im Lichte dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe eignet sich das summarische Verfahrenskostenhilfeverfahren jedenfalls nicht für die Beurteilung der Frage, ob die Antragstellerin gegen den Antragsgegner aus §§ 1580 S. 2, 1605 BGB einen Auskunfts- und Belegvorlageanspruch hat. Denn dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn die von ihr begehrten Angaben und Belege den Unterhaltsanspruch unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen können (BGH FamRZ 1994, 1169; 1982, 996; Senatsbeschluss vom 30.7.2015 - 6 UF 35/15 - m.w.N.). So könnte sich die Lage im Streitfall allenfalls darstellen, wenn von vornherein ausgeschlossen werden könnte, dass der Antragstellerin ein Unterhaltsanspruch gegen den Antragsgegner zusteht. Dies kann indes - abweichend von der Beurteilung des Familiengerichts auf der Grundlage der dargestellten verfahrenskostenhilferechtlichen Maßgaben jedenfalls nicht vor Auskunfts- und Belegvorlage beantwortet werden.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin gegen den Antragsgegner seit Juni 2015 einen Aufstockungsunterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 1 oder Abs. 2 oder aber einen Krankheitsunterhaltsanspruch gemäß § 1572 Nr. 4 BGB hat. Im rechtlichen Ausgangspunkt hat das Familiengericht zwar zutreffend und insoweit mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang stehend (BGH FamRZ 2016, 203; 2010, 1311; 2003, 1734) hierzu im angegriffenen Beschluss angenommen, dass die für einen Unterhaltsanspruch im streitgegenständlichen Zeitraum erforderliche Unterhaltskette seit Rechtskraft der Scheidung (u.a.) nicht entfällt, wenn der Unterhaltsanspruch zunächst an der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen gescheitert war. Hiervon ist im vorliegenden Verfahrenskostenhilfeprüfungs-verfahren aufgrund des Scheidungsfolgenvergleichs vom 31.5.2012 - 52 F 409/08 S - auch auszugehen.

Soweit das Familiengericht für einen solchen durchgehenden (latenten) Fortbestand eines Unterhaltsanspruchs für die Zeit ab Juni 2012 ausreichende Anhaltspunkte im Tatsächlichen vermisst, vermag der Senat diese Sicht nicht zu teilen. Denn ausweislieh der Akten des genannten Scheidungsverbundverfahrens liegt jedenfalls nicht fern, dass in der Ehe der Beteiligten ein deutliches Einkommensgefälle angelegt gewesen ist, das im Zeitpunkt der Scheidungsrechtskraft lediglich deshalb nicht zu einem nachehelichen Unterhaltsanspruch der Antragstellerin geführt hat, weil der Antragsgegner in erheblichem Umfang ehebedingte Schulden bedient hat. Ohne die von der Antragstellerin auf der ersten Ebene ihres Stufenantrags begehrten Auskünfte und Belege kann daher nicht beurteilt werden, ob ihr im Zeitraum seit Juni 2015 ein Unterhaltsanspruch zusteht. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage einer etwaigen Befristung eines - unterstellten - Unterhaltsanspruchs bis zu einem vor Beginn der hier streitgegenständlichen Unterhaltsperiode liegenden Zeitp...

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