Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es in aller Regel, dass dann, wenn das Gericht im Rahmen der Verständigung nach § 257c StPO die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe zusagt, eventuell anzuordnende Bewährungsauflagen bereits im Rahmen des der Verständigung vorausgehenden Rechtsgesprächs angesprochen werden und der Angeklagte nicht erst durch den im Anschluss an die Verkündung des Urteils verkündeten Bewährungsbeschluss von einer Bewährungsauflage überrascht wird (im Anschluss an OLG Köln, Beschluss vom 16.1.1998 - 2 Ws 687/97, NJW 1999, 373).

 

Normenkette

StPO § 257c; StGB § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 2; StPO § 268a Abs. 1, § 305a Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Entscheidung vom 23.11.2012; Aktenzeichen 28 Ds 171/12)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 23. November 2012 aufgehoben, soweit dem Angeklagten mit diesem auferlegt worden ist, "eine Geldbuße von 500,00 €, zahlbar in monatlichen Raten von je 50,00 €, beginnend mit dem ersten des auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats an den Verein ... e.V." zu entrichten "und die Zahlung dem Gericht unaufgefordert" nachzuweisen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten in diesem entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten mit in der Hauptverhandlung vom 23.11.2012 verkündetem Urteil wegen Unterschlagung in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Anschluss an die Verkündung des Urteils hat das Amtsgericht folgenden Beschluss verkündet:

"Die Strafaussetzung erfolgt mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren unter der Auflage, dass der Angeklagte eine Geldbuße von 500,00 €, zahlbar in monatlichen Raten von je 50,00 €, beginnend mit dem ersten des auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats an den Verein ... e.V. entrichtet und die Zahlung dem Gericht unaufgefordert nachweist."

Die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen beruhen auf einer "umfassend geständigen Einlassung des Angeklagten". Dieser war eine Verständigung der Verfahrensbeteiligten nach § 257c StPO vorausgegangen, wonach "im Fall einer geständigen Einlassung eine Freiheitsstrafe zwischen 6 und 9 Monaten verhängt wird, die dem Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt werden kann." Eventuelle Bewährungsauflagen waren nicht Gegenstand des Rechtsgesprächs.

Mit am 30.11.2012 vorab per Telefax beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag hat der Angeklagte gegen das Urteil des Amtsgerichts "Rechtsmittel", das der Verteidiger innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO zur Sprungrevision bestimmt und mit der allgemeinen Sachrüge begründet hat, sowie gegen den in der Hauptverhandlung des Amtsgerichts vom 23.11.2012 verkündeten Beschluss, soweit er die Auflage der Zahlung eines Geldbetrags betrifft, Beschwerde eingelegt. Der Angeklagte hält die Verhängung der Geldauflage für gesetzwidrig. Sie sei ermessensfehlerhaft und verstoße auch gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, den Bewährungsbeschluss hinsichtlich der Zahlungsauflage aufzuheben. Die Sprungrevision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 23.11.2012 hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage (Az.: Ss 56/2013 (35/13)) gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

II.

Die gemäß § 305a Abs. 1, § 306 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde gegen den nach § 268a Abs. 1 StPO ergangenen Beschluss, über die gemäß § 305a Abs. 2 StPO der Senat als Revisionsgericht zu entscheiden hat, ist begründet. Zu Unrecht hat das Amtsgericht dem Angeklagten gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB die Zahlung eines Geldbetrages auferlegt.

1. Gemäß § 305a Abs. 1 Satz 2 StPO kann die Beschwerde nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist. Gesetzwidrig ist eine Anordnung, wenn sie dem einschlägigen materiellen Recht (§§ 56a bis 56d StGB, § 59a StGB, §§ 68b, 68c StGB) widerspricht, etwa weil sie im Gesetz nicht vorgesehen, sie unverhältnismäßig oder unzumutbar ist, oder wenn sie sonst die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreitet (vgl. Senatsbeschluss vom 30.5.2011 - 1 Ws 80/11; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 305a Rn. 1; SK-StPO/Frisch, 4. Aufl., § 305a Rn. 13; Löwe-Rosenberg/Matt, StPO, 25. Aufl., § 305a Rn. 5; vgl. zur insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO auch: Senatsbeschluss vom 2.10.2013 - 1 Ws 160/13, 1 Ws 194/13 m. w. N.). Darüber hinaus kann auch die Art und Weise des Zustandekommens des Bewährungsbeschlusses dessen Gesetzwidrigkeit begründen (vgl. SK-StPO/Frisch, aaO.).

2. Gemessen an diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab erweist sich die dem Angeklagten in dem Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts auferlegte Zahlung eines Geldbetrages als ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge