Leitsatz (amtlich)
Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze auf elektronischem Wege, muss er bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt mittels geeigneter Software für die Anzeige der automatisierten Empfangsbestätigung (§ 130a Abs. 5 ZPO) sorgen bzw. das für die Fristverlängerungsgesuche per beA zuständige Personal dahingehend belehren, dass bei Übermittlung von Daten per beA stets der Erhalt der Eingangsbestätigung zu kontrollieren ist, und er muss diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchführen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 3 O 220/15) |
Tenor
Der Antrag des Klägers vom 22. Juli 2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29. April 2019 - 3 O 220/15 - wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.329.112,12 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die von dem Kläger gegen die Beklagte erhobene Klage auf Werklohn in Höhe von 1.329.112,12 EUR wurde durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29. April 2019 - 3 O 220/15 - abgewiesen, bezüglich eines Teilbetrages in Höhe von 937.169,94 EUR (Schlussrechnung) als derzeit unbegründet. Das Urteil wurde dem Kläger am 2. Mai 2019 gemäß dem Empfangsbekenntnis der Rechtsanwälte ... pp. zugestellt. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 31. Mai 2019 Berufung eingelegt. Durch Verfügung des Senats vom 4. Juli 2019 wurde beim Kläger angefragt, ob die Berufung nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zurückgenommen werde. Die Verfügung wurde dem Kläger am 8. Juli 2019 zugestellt. Mit am 22. Juli 2019 eingegangenem Schriftsatz beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung und zugleich, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat bis zum 2. August 2019 zu verlängern. Mit am 1. August 2019 eingegangenem Schriftsatz begründete der Kläger die Berufung. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat er im Wesentlichen darauf verwiesen, dass seit Einführung der in seinem Büro verwendeten Software ... pp. im Mai 2018 sämtliche Vorgänge nur noch elektronisch durchgeführt und dokumentiert würden. Am 26. Juni 2019 habe er um 12.38 Uhr der Rechtsanwaltsfachangestellten St. W. die Aufgabe erteilt, einen Schriftsatz per beA anzufertigen. Am gleichen Tag habe die Angestellte den Schriftsatz ausgefertigt ("14.48 Uhr St. W.: 'Erstellen des neuen Dokuments' Schriftsatz an das Oberlandesgericht Saarbrücken'"), er habe ihn persönlich signiert und per beA eingereicht, danach sei die neue Berufungsbegründungsfrist zum 2. August 2019 eingetragen worden ("14.50 Uhr St. W.: Frist: Neue Berufungsbegründung (Zivilsachen) § 520 ZPO für O. J. zum 02.08.2019 eingetragen"). Wie er im Nachhinein festgestellt habe, seien bei seinem persönlichen Postausgang an diesem Tag vier Schriftsätze herausgegangen, indes sei das Fristverlängerungsgesuch nicht an das beA übermittelt worden, obwohl die Übertragungswege, wie Recherchen bei Kanzleikollegen ergeben hätten, an diesem Tag funktioniert hätten. Auch habe die Software keine Fehlermeldung generiert. Diese sei so konstruiert, dass nach Signatur und Versendung eines Schriftsatzes die Personen in der Kanzlei, die Zugang zum Post-Workflow des jeweiligen Anwalts haben (Anwalt und Sekretärin), sehen, dass der Schriftsatz sich nicht mehr im Postausgang befindet, mithin versendet worden sei. Eine weitere Sicherheitsfunktion dergestalt, dass im Falle des Herunterfahrens des PC ein separates Fenster erzeugt werde, in dem nachgefragt werde, ob man das Arbeiten mit dem Programm ... pp. beenden wolle, was angeklickt werden müsse, oder ob man weiterarbeiten wolle, wobei im Falle der Bestätigung der Beendigung ein zweites Fenster erscheine, in dem an erster Stelle rot hervorgehoben alle Schriftsätze aufgeführt seien, die im Signierkorb des beA liegen, aber noch nicht ausgefertigt worden sind, und darunter die zu korrigierenden Schriftsätze, um sodann beim erforderlichen Weiterklicken zwecks Beendigung des Programms zu einem dritten Bildschirm zu gelangen, der vor der Beendigung den Nutzer u.a. auf unerledigte Fristen hinweise, habe ebenfalls keine Warnung durch rot hervorgehobene Schriftsätze oder einen Hinweis auf unerledigte Fristen pp gegeben. Diese Funktionsweise des Programms sei ihm aus eigener Anschauung bekannt. Mangels Fehler- bzw. Störungsmeldung habe er mit Blick auf die ansonsten fehlerfrei funktionierende Software - es sei nicht ein Mal zu einem solchen Fehler gekommen - nicht erkannt bzw. erkennen können, dass der in Rede stehende Schriftsatz nicht herausgegangen sei. Insoweit sei er nicht, auch nicht vor dem Hintergrund der von den Gerichten generierten automatisierten Empfangsbestätigung, verpflichtet, unmittelbar über die Webseite der BRAK, dort Portal beA, Schriftsätze ei...