Leitsatz (amtlich)

Ist der wirkliche Kindeswille zuverlässig durch den Verfahrensbeistand und eine richterliche Kindesanhörung aufgeklärt worden, so ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu regelmäßig nicht erforderlich.

 

Verfahrensgang

AG Saarlouis (Beschluss vom 19.12.2012; Aktenzeichen 22 F 262/12 SO)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarlouis vom 19.12.2012 - 22 F 262/12 SO - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

3. Der Antragsgegnerin wird die von ihr für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

4. Dem Antragsteller wird mit Wirkung vom 4.3.2013 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt, bewilligt.

 

Gründe

I. Durch den angefochtenen Beschluss vom 19.12.2012, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Antragsteller (im Folgenden: Vater) antragsgemäß die alleinige elterliche Sorge für das betroffene, am 16.2.2003 geborene Kind F. übertragen.F., der zuvor zwischen den Eltern alle zwei Wochen hin- und hergewechselt ist, lebt nun beim Vater.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin (im Weiteren: Mutter) ihren erstinstanzlichen Antrag weiter, die Alleinsorge ihr zuzuweisen. Der Vater bittet - vom Verfahrensbeistand und dem Jugendamt unterstützt - um Zurückweisung der Beschwerde. Beide Elternteile suchen um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Dem Senat hat die Akte 22 F 203/10 SO des AG Saarlouis vorgelegen.

II. Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht und auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens hat das Familiengericht dem Vater unter Anwendung von § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB die alleinige elterliche Sorge für F. übertragen.

Unangefochten und - zumal im Lichte des Beschwerdeantrags der Mutter - rechtsbedenkenfrei (vgl. zu den insoweit einschlägigen Maßstäben BGH FamRZ 2011, 796 m. Anm. Völker; BGH FamRZ 2008, 592; OLG Saarbrücken vom 26.8.2009 - 6 UF 68/09 -, FamRZ 2010, 385; v. 21.1.2013 - 6 UF 8/13 -, jeweils m.w.N.) hat das Familiengericht das gemeinsame Sorgerecht der Eltern für F. vollständig aufgehoben.

Es findet ebenfalls die Billigung des Senats, dass das Familiengericht - auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) - gerade dem Vater die elterliche Sorge für F. übertragen hat. Auch diesbezüglich hat das Familiengericht seiner Beantwortung der allein am Kindeswohl auszurichtenden Frage, welchem der beiden Elternteile das Sorgerecht zu übertragen ist, beanstandungsfrei die hierzu höchstrichterlich aufgestellten und von der Senatsrechtsprechung geteilten Maßstäbe zugrunde gelegt (s. zum Ganzen BGH FamRZ 2011, 796; 2010, 1060, jeweils m. Anm. Völker; 1990, 392; 1985, 169; OLG Saarbrücken vom 16.11.2011 - 6 UF 126/11, FamRZ 2012, 884; v. 20.1.2011 - 6 UF 106/10 -, FamRZ 2011, 1153, jeweils m.w.N.), diese wohlerwogen ausgefüllt und im Ergebnis dem Vater den Vorzug gegeben. Der Senat tritt auch insoweit der beanstandeten Entscheidung bei. Die Beschwerdeangriffe sind nicht geeignet, die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss, die in Bezug genommen werden, zu entkräften.

Vergebens beanstandet die Mutter, das Familiengericht hätte den wirklichen Willen F. s nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellen dürfen.

Im Lichte des - in Kindschaftssachen besonders verdichteten (dazu eingehend OLG Saarbrücken vom 3.4.2012 - 10 UF 10/12 -, FamRZ 2013, 48; v. 23.1.2013 - 6 UF 20/13) - Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) muss das Gericht zwar die zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten hinsichtlich entscheidungserheblicher Tatsachen ausschöpfen. Verfügt das Gericht aber über eine zuverlässige Grundlage für eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung, so ist es nicht stets gehalten, sich sachverständig beraten zu lassen (vgl. zum Ganzen BVerfG FamRZ 2010, 1622; 2009, 291, 399 und 1897; 2007, 105; BGH FF 2012, 67 m. Anm. Völker; BGH FamRZ 2010, 720 und 1060).

Hieran gemessen begegnet es bei den vorliegenden Gegebenheiten keinen Bedenken, dass das Familiengericht sich zur Ermittlung des Kindeswillens des Verfahrensbeistandes F. s bedient und von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen hat. Es hat dabei berücksichtigt, dass der vom Kind geäußerte Wille Erkenntniswert hinsichtlich seiner persönlichen Bindungen zu beiden Elternteilen hat (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 1737; 1990, 392; vgl. - zum Umgangsrecht - auch BVerfG FamRZ 2007, 1078) und mit zunehmendem Alter auch als Ausdruck der Entwicklung des Kindes zu einer eigenständigen Persönlichkeit bedeutsam ist (§ 1626 Abs. 2 S. 2 BGB; dazu BVerfG FamRZ 2008, 1737; vgl. ferner - zum Umgangsrecht - BVerfG FamRZ 2007, 105; 2008, 845). Beanstandungsfrei hat das Familiengericht F. - sowohl durch die Einbeziehung...

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