Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung von Krankheitsunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Beim Unterhalt nach § 1572 BGB ist auch dann, wenn - wie regelmäßig - die Krankheit selbst nicht ehebedingt ist, ein ehebedingter Nachteil denkbar, wenn ein Unterhaltsberechtigter die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht erfüllt, weil er aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht genügend Pflichtbeiträge gezahlt hat. Der sich daraus ergebende ehebedingte Nachteil entfällt allerdings - aber auch erst - mit dem Beginn der Altersrente, wenn für diese neben der Erfüllung der Wartezeit und der Altersvoraussetzung keine Mindestzahl von Pflichtbeiträgen erforderlich ist.
Normenkette
BGB §§ 1572, 1578b
Verfahrensgang
AG Neunkirchen (Beschluss vom 30.09.2011; Aktenzeichen 17 F 262/09 S) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird Ziff. 4. des Beschlusses des AG - Familiengericht - in Neunkirchen vom 30.9.2011 - 17 F 262/09 S -abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für den Zeitraum vom 17.2. bis zum 30.6.2012 nachehelichen Unterhalt von insgesamt 3.514,14 EUR und ab Juli 2012 monatlich im Voraus, spätestens bis zum 3. Werktag eines Monats, solchen von 790 EUR zu zahlen.
2. Die Kosten beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Antragstellerin wird mit Wirkung vom 30.5.2012 Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, bewilligt. Sie hat ab 1.9.2012 monatliche Raten von 15 EUR zu den Verfahrenskosten beizutragen.
4. Dem Antragsgegner wird mit Wirkung vom 1.6.2012 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerde-verfahren unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, bewilligt.
Tatbestand
I. Die im August 1963 geborene Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und der im Dezember 1961 geborene Antragsgegner (Ehemann), beide Deutsche, heirateten am 20.7.1984. Aus ihrer Ehe ging am 14.10.1986 der Sohn D. hervor. Die Beteiligten trennten sich im Februar 2008 innerhalb der Ehewohnung, aus der die Ehefrau sodann am 1.7.2008 auszog.
Die Beteiligten streiten zweitinstanzlich noch um die Frage der Begrenzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Ehefrau.
Der Ehemann arbeitet vollschichtig bei dem Universitätsklinikum des Saarlandes.
Die heute 49 Jahre alte Ehefrau ist gelernte Metzgereifachverkäuferin und hat in diesem Beruf nach Abschluss ihrer Ausbildung gearbeitet. Während der Ehe und nach der Geburt D. hat sie nur noch teilschichtig gearbeitet. Zuletzt ist sie als Reinigungskraft im Ingenieurbüro M. für ein Einkommen von bis zu 200 EUR monatlich geringfügig beschäftigt gewesen. Sie ist seit über 20 Jahren an Diabetes erkrankt. Dies hat zu Folgeerkrankungen - insbesondere Nephropathie, Retinopathie, Polyneuropathie, Gastroparese, diabetisches Fuß-Syndrom, Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention und reaktive Depression - geführt. Mit Bescheid des Saarlandes - Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz - vom 2.7.2010 ist der Ehefrau wegen erheblicher Gehbehinderung ein Grad der Behinderung von 100 zuerkannt worden.
Im vorliegenden Verfahren hat die Ehefrau mit am 3.8.2009 eingegangenem Schriftsatz auf Scheidung der Ehe angetragen. Der Schriftsatz ist dem Ehemann, der ebenfalls Scheidungsantrag gestellt hat, am 25.9.2009 zugestellt worden.
Mit am 2.6.2010 beim Familiengericht eingegangenem und dem Ehemann am 20.7.2010 zugestelltem Schriftsatz hat die Ehefrau den Ehemann im Wege der Stufenklage auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch genommen, zuletzt im Scheidungsverbund auf Zahlung von 1.020 EUR ab Rechtskraft der Scheidung.
Der Ehemann hat auf Antragsabweisung und hilfsweise Begrenzung seiner Unterhaltsverpflichtung angetragen.
Das Familiengericht hat zur Frage der Erwerbsfähigkeit der Ehefrau im Einverständnis der Beteiligten ein für die Deutsche Rentenversicherung Saarland erstelltes schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. K., Facharzt für Innere Medizin, vom 17.1.2011 verwertet, das in Bezug genommen wird und in dem im Ergebnis von einem auf Dauer aufgehobenen Leistungsvermögen der Ehefrau ausgegangen wird.
Mit Beschluss vom 10.5.2011 hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich bezüglich der Anwartschaften des Ehemannes bei der Ruhegehalts- und Zusatzversorgungskasse des Saarlandes abgetrennt und analog § 140 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ausgesetzt.
Durch Beschluss vom 30.9.2011, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe der Beteiligten geschieden (Ziff. 1. der Entscheidungsformel) und in den Ziff. 2. und 3. den Versorgungsausgleich hinsichtlich der beiderseitigen Anwartschaften der Beteiligten in der gesetzlichen Rentenversicherung geregelt. In Ziff. 4. hat es den Ehemann unter Abweisung des weiter gehenden Antrags verpflichtet, an die Ehefrau ab Rechtskraft der Scheidung monatlich im Voraus, spätestens bis zum 3. Werktag eines Monats, nachehelichen Unterhalt von 790 EUR, befristet bis 31.12.2016, zu zahlen. Der Beschlu...