Leitsatz (amtlich)
Ein Vergleichsüberhang ist bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen, wenn die in den Vergleich einbezogenen Ansprüche zwischen den Parteien des Rechtsstreits nicht im Streit standen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 13.07.2004; Aktenzeichen 9 O 156/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Wert des Streitgegenstandes unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des LG Saarbrücken vom 13.7.2004 (Az. 9 O 156/04) auf 9.008 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Mit der Klage hat der Kläger die Beklagten als Miteigentümer eines Anwesens in P. auf Erteilung der Zustimmung zur Durchführung notwendiger Erhaltungs- bzw. Reparaturmaßnahmen sowie zur Beauftragung eines Fachunternehmens in Anspruch genommen. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) hat er bereits vor ihrer Zustellung wieder zurückgenommen. Im Termin vom 13.7.2004 haben der Kläger und die Beklagte zu 1) einen Vergleich geschlossen, in dem sie vereinbart haben, dass sich die Beklagte zu 1) zur Übertragung ihres Miteigentumsanteils an den Kläger zu einem Preis von 61.000 Euro verpflichtet und der Kläger auf die Geltendmachung der mit der Klage verfolgten Ansprüche verzichtet (Bl. 83 d.A.). Den Wert des Streitgegenstandes hat das LG durch Beschluss vom 13.7.2004 (Az. 9 O 156/04) hinsichtlich der Hauptsache auf 9.008 Euro und hinsichtlich des Vergleichsüberhangs auf 61.000 Euro festgesetzt. Hiergegen richtet sich die "auf Anweisung der hinter dem Kläger stehenden Rechtschutzversicherung" am 4.8.2004 vom Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegten Beschwerde, mit der gerügt wird, dass nach Ansicht des Rechtschutzversicherers ein Vergleichsüberhang nicht vorliege und für die Höhe des Streitwertes allein die mit der Klage verfolgten Ansprüche maßgeblich seien (Bl. 91 f. d.A.).
Das LG hat der Beschwerde durch Beschluss vom 27.8.2004 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der mitverglichene Anspruch auf Übertragung des Miteigentumsanteils bis zum Vergleichsabschluss dem Grunde und der Höhe nach streitig gewesen sei, wie sich aus den Schriftsätzen der Beklagten zu 1) vom 17.6.2004 und 2.7.2004 ergebe (97 ff. d.A.).
Die Beklagte zu 1) hält den Streitwertbeschluss für zutreffend (Bl. 95 d.A.).
II. Die Beschwerde ist zulässig. Insoweit gelten die Vorschriften des GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004, BGBl. I 717 ff., weil die Streitwertbeschwerde nach dem 1.7.2004 eingelegt worden ist, § 72 Nr. 1 GKG (n.F.). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt, da der Kläger wegen der seiner Ansicht nach zu hohen Festsetzung des Streitwertes beschwert ist, der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt (§ 68 Abs. 1 S. 1 GKG) und die Beschwerde innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 3 GKG eingegangen ist. Obwohl die Beschwerde auf "Anweisung" der hinter dem Kläger stehenden Rechtsschutzversicherung eingelegt worden ist, ist davon auszugehen, dass es sich um eine Beschwerde des Klägers handelt, wie das LG zutreffend angenommen hat.
Die Beschwerde ist begründet. Maßgeblich für den Streitwert eines Vergleichs ist der Wert sämtlicher streitiger Ansprüche, die in den Vergleich einbezogen worden sind (OLG Frankfurt JurBüro 1985, 1985; OLG Köln JurBüro 1996, 476, re. Sp.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., Anhang § 3 ZPO Rz. 127; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rz. 4572, 4586). Es kommt nicht allein auf die Beträge an, auf die sich die Parteien verglichen haben. Maßgeblich ist vielmehr, worüber sich die Parteien verglichen haben bzw. welcher Streit oder welche Ungewissheit der Parteien durch den Vergleich beigelegt worden ist, § 779 Abs. 1 BGB. Hiervon ist offenbar auch das LG ausgegangen, das ausgeführt hat, dass der mitverglichene Anspruch (auf Übertragung des Miteigentumsanteils der Beklagten zu 1)) bis zum Vergleichsabschluss dem Grunde und der Höhe nach streitig gewesen sei (Bl. 100 d.A.).
Entgegen der Annahme des LG lag jedoch ein Streit bzw. eine Ungewissheit über den mitverglichenen Miteigentumsanteil nicht vor. Die Beklagte zu 1) war nämlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, ihren Miteigentumsanteil an den Kläger zu übertragen. Dies ist selbst vom Kläger nicht behauptet worden. Bei dem Anwesen handelt es sich um das Elternhaus des Klägers und der Beklagten zu 1), das im Rahmen der Erbauseinandersetzung auf die Parteien übertragen worden ist. Nach dem Vortrag der Beklagten zu 1) hat sich der Kläger in der Vergangenheit zwar um Übertragung des Miteigentumsanteils an diesem Anwesen bemüht (S. 8 des Schriftsatzes vom 17.6.2004 = Bl. 43 f. d.A.). Eine Verpflichtung der Beklagten zu 1) hierzu bestand jedoch nicht. Die Beklagte zu 1) ist vielmehr aus eigenem Entschluss in Übertragungsgespräche mit dem Kläger getreten, die zu dem Ergebnis führten, dass sie sich zum Verkauf ihres Miteigentumsanteils an den Kläger für 61.000 Euro verpflichtet hat. Die Parteien haben durch den Vergleichsüberhan...