Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Ablehnung einer beantragten Verlängerung der Frist zu einem Sachverständigengutachten ermessensfehlerhaft ist.
2. Die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen besteht, wenn er nicht offen legt, welche Unterlagen er von einer Partei erhalten hat und wenn er sich - ungefragt - zur rechtlichen Zulässigkeit vertraglicher Vereinbarungen der Parteien äußert.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 15.02.2006; Aktenzeichen 15 O 26/03) |
Tenor
1. Die Entscheidung wird dem Senat übertragen.
2. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der6t Beschluss des LG Saarbrücken vom 15.2.2006 - 15 O 26/03 - abgeändert. Das Ablehnungsgesuch betreffend den Sachverständigen K. wird für begründet erklärt.
3. Der Gegenstandswert wird auf 2301,79 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin angeblich rückständige Nebenkosten aus der gewerblichen Vermietung des Anwesens P.-Straße in Merzig. Dem Begehren liegt ein Vertrag vom 15.9.1997 zugrunde, der - in § 4 Abs. 2 - eine bestimmte Regelung der Tragung der Nebenkosten vorsieht. Das LG Saarbrücken hat durch Beschluss vom 8.7.2005 angeordnet, es solle sachverständig begutachtet werden, ob die zuletzt durch den Antragsteller geltend gemachten Nebenkosten (unter Beachtung verschiedener Vorgaben) richtig berechnet seien. Die Stellungnahme des Sachverständigen K. vom 10.11.2005 (Bl. 360 ff.) wurde den Parteien formlos unter dem 15.11.2005 zugeleitet mit der Bitte um Stellungnahme binnen dreier Wochen. Der Bitte des Antragstellers um Fristverlängerung bis 30.12.2005 wurde entsprochen; seine am 30.12.2005 eingegangene Bitte um eine weitere Verlängerung der Frist bis 6.1.2006 wegen einer erhöhten Arbeitsbelastung zum Jahresende wurde der Antragsgegnerin durch den Vertreter des erkennenden Richters am 5.1.2006 mit der Bitte um Stellungnahme binnen dreier Tage zugeleitet.
Am 6.1.2006 hat der Antragsteller den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Sachverständige habe sich auf dem Antragsteller nicht bekannte Unterlagen der Beklagten gestützt, habe das ihm vorgegebene Beweisthema überschritten und sich zu rechtlichen Fragen, die durch das LG nicht angesprochen worden seien, geäußert.
Das LG Saarbrücken hat das Ablehnungsgesuch durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, weil es unzulässig sei. Es sei nämlich verspätet eingegangen, weil über den Fristverlängerungsantrag nicht zugunsten des Antragstellers entschieden worden sei und ihm auch nicht stattgegeben werden könne. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.
II. Die sofortige Beschwerde ist - ebenso wie das Ablehnungsgesuch in der Sache - begründet.
1. Rechtsfehlerhaft hat das LG Saarbrücken das Ablehnungsgesuch des Antragstellers als unzulässig weil verspätet verworfen.
Wird in einem Zivilrechtsstreit ein schriftliches Sachverständigengutachten den Parteien verbunden mit einer Aufforderung zugeleitet, binnen einer richterlich bestimmten Frist Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitzuteilen (§ 411 Abs. 4 ZPO), so dürfen sie sich darauf verlassen, dass eine Zurückweisung ihres Vorbringens nur unter den Bedingungen und in den Grenzen erfolgt, die das Gesetz vorsieht. Im Allgemeinen ist daher ein den Sachverständigen betreffendes Ablehnungsgesuch nicht verspätet, wenn es innerhalb der gerichtlich für "die Begutachtung betreffende Anträge" ordnungsgemäß bestimmten Frist eingeht (BGH, Beschl. v. 15.3.2005 - VI ZB 74/04, GesR 2005, 327 = BGHReport 2005, 1004 = MDR 2005, 1007 = NJW 2005, 1869).
Da die richterliche Verfügung vom 15.11.2005 nicht, wie § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO es verlangt, zugestellt worden ist, ist die durch sie gesetzte Frist schon nicht in Gang gesetzt worden; ihre Versäumung kann also grundsätzlich nicht zu den in § 411 Abs. 4 ZPO vorgesehenen Rechtsfolgen führen. Ob in einem solchen Fall unbefristet Ablehnungsgesuche zulässig sind, kann dahinstehen.
Denn die Ablehnung des Antrags vom 30.12.2005, die Frist zur Stellungnahme bis 6.1.2006 zu verlängern, ist rechtswidrig, ohne dass es darauf ankommt, ob sich der Antragsteller wegen einer Anfrage an die Geschäftsstelle des erkennenden Gerichts darauf verlassen durfte, seinem Anliegen werde entsprochen. Die Verlängerung richterlich gesetzter Fristen steht, wenn für ihr Begehren erhebliche Gründe - wie typischerweise eine zum Jahresende eintretende besondere Belastung eines Rechtsanwalts bei einem wenige Tage ausmachenden Zeitraum - glaubhaft gemacht werden, im Ermessen des darüber befindenden Gerichts. Die angefochtene - am 15.2.2006 (!) ergangene - Entscheidung übt dieses Ermessen sachwidrig zum Nachteil des Antragstellers aus. Der Antrag ist dem Vertreter des erkennenden Richters offenbar erst am oder unmittelbar vor dem 5.1.2006 - also einen Tag vor Ablauf des begehrten Fristverlängerungszeitraums - vorgelegt worden. Zu diesem Ze...