Verfahrensgang

AG Saarlouis (Beschluss vom 29.12.2011; Aktenzeichen 22 F 431/11 SO)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarlouis vom 29.12.2011 - 22 F 431/11 SO - teilweise abgeändert und der weiteren Beteiligten mit Wirkung vom 17.12.2011 Rechtsanwältin, beigeordnet.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

 

Gründe

Der nach §§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässigen sofortigen Beschwerde der weiteren Beteiligten (im Folgenden: Mutter), der das Familiengericht nicht abgeholfen hat, kann der Erfolg nicht versagt bleiben; sie führt zur antragsgemäßen Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Mutter.

Besteht für ein Verfahren - wie hier - kein Anwaltszwang, so ist dem Beteiligten, dem Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird, ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, § 78 Abs. 2 FamFG.

Dies hängt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH FamRZ 2010, 1427), der beide Familiensenate des Saarländischen OLG beigetreten sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15.9.2010 - 6 WF 88/10 -, vom 16.9.2010 - 6 WF 90/10 -; v. 20.9.2011 - 6 WF 98/11; Beschlüsse des 9. Zivilsenats des Saarländischen OLG vom 30.3.2011 - 9 WF 32/11 -, vom 22.12.2011 - 9 WF 134/11 -; v. 4.1.2012 - 9 WF 129/11), davon ab, ob ein Bemittelter in der Lage des unbemittelten Beteiligten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte.

Bei der Beurteilung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass sich das Verfahren für einen Beteiligten auch allein wegen einer schwierigen Sachlage oder allein wegen einer schwierigen Rechtslage so kompliziert darstellen kann, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Jeder dieser beiden Umstände kann also bereits für sich die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich machen. Dabei kann auch der - hier indes nicht gegebene - Umstand anwaltlicher Vertretung anderer Beteiligter ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein, obschon der Grundsatz der Waffengleichheit kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78 Abs. 2 FamFG mehr ist. Die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts beurteilt sich schließlich auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten, insbesondere seiner Fähigkeit, sich schriftlich und mündlich auszudrücken. Nur diese - subjektivierte - Sicht wird dem verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbrieften Anspruch des Unbemittelten auf Rechtsschutzgleichheit im Sinne einer weitestgehenden Gleichstellung mit Bemittelten gerecht.

Die Anwendung dieser allgemeinen Kriterien erfordert - wovon auch das Familiengericht im Ansatz zutreffend ausgegangen ist - eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des Einzelfalles orientierte Notwendigkeitsprüfung.

Diese wird nicht dadurch entbehrlich oder erleichtert, dass für die Erforderlichkeit der Beiordnung pauschal auf den einfachen, mittleren oder hohen Schwierigkeitsgrad einer Verfahrensart abgestellt wird. Auch lässt das Erforderlichkeitskriterium für Regel-Ausnahme-Sätze bei Kindschaftssachen schon im Hinblick auf die Vielfalt der Lebenssachverhalte keinen Raum. Wenngleich diese Familienverfahren Grundrechtspositionen der Eltern und des Kindes berühren und im Einzelfall existenzielle Bedeutung für einen der Beteiligten haben können, bildet die Schwere des Eingriffs - für sich genommen - nach der gesetzlichen Neuregelung kein Kriterium für eine Anwaltsbeiordnung. Sie rechtfertigt auch nicht den Schluss, dass sich ein bemittelter Rechtssuchender bei solchen Streitigkeiten vernünftigerweise stets oder doch nahezu ausnahmslos hätte anwaltlich vertreten lassen. Mithin lässt sich weder generell noch als Regel herleiten, dass kindschaftsrechtliche Streitigkeiten besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art mit sich bringen und deshalb ausnahmslos oder doch im Regelfall die Beiordnung eines Rechtsanwalts erfordern (vgl. zum Ganzen BGH FamRZ 2010, 1427 m.w.N. zu einer Umgangsstreitigkeit).

Dies gilt im Ausgangspunkt auch für kindschaftsrechtliche Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB. Um ein solches handelt es sich auch dann, wenn das Familiengericht - wie hier - auf eine Gefährdungsmitteilung des Jugendamts nach § 8a Abs. 3 SGB VIII hin einen Erörterungstermin nach § 157 FamFG bestimmt. Bereits hierin liegt die amtswegige Einleitung eines Sorgerechtsverfahrens i.S.d. § 151 Nr. 1 FamFG, weil nur in den Fällen an der Grenze zur Kindeswohlgefährdungsschwelle die Anberaumung eines Gesprächs zur Erörterung der Kindeswohlgefährdung vor dem Familiengericht vom staatlichen Wächteramt gedeckt ist (OLG Frankfurt F...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge