Leitsatz (amtlich)
Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung kann ausnahmsweise - und zwar auch in Verfahren, in denen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG gilt (hier: Verfahren nach § 1666 BGB) - die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn zwingende Gründe für die Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für den betreffenden Beteiligten schlechthin unzumutbar wäre und somit dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte.
Ein solch zwingender Grund kann auch eine Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten an einer mehrtägigen Fortbildungsveranstaltung sein, wenn dem Beteiligten im konkreten Einzelfall weder eine Wahrnehmung des Erörterungstermins ohne anwaltlichen Beistand noch eine Vertretung seines Verfahrensbevollmächtigten durch einen anderen Rechtsanwalt zugemutet werden kann (hier bejaht).
Verfahrensgang
AG Völklingen (Aktenzeichen 8 F 341/18 EASO) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Völklingen vom 24. September 2018 - 8 F 341/18 EASO - abgeändert und die Befangenheitsablehnung des Antragsgegners gegen die Richterin am Amtsgericht H. für begründet erklärt.
Gründe
Die nach § 6 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache Erfolg und führt zur Begründeterklärung seines Ablehnungsgesuchs, wobei der Senat aufgrund der Eilbedürftigkeit der Sache davon absieht, die Akten dem Familiengericht zuvor zur - von diesem entgegen § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO unterlassenen - Abhilfeprüfung zurückzuleiten (siehe dazu nur Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 572, Rz. 4 m.w.N.).
Das Ablehnungsgesuch ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 FamFG i.V.m. §§ 43 f. ZPO zulässig und in der Sache begründet; denn es liegen Gründe im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 1 FamFG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO vor, die geeignet sind, das Misstrauen des Antragsgegners gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin zu rechtfertigen.
Ein Richter kann in Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ebenso wie im Zivilprozess abgelehnt werden, wenn ein objektiver Grund vorliegt, der den ablehnenden Beteiligten bei vernünftiger Betrachtung befürchten lassen muss, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber und werde deshalb nicht unparteiisch entscheiden. Maßgebend ist nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder sich für befangen hält, sondern allein, ob vom Standpunkt des Ablehnenden aus betrachtet genügende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der betreffende Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber. Indes rechtfertigen in aller Regel sachlich fehlerhafte Entscheidungen, für eine Partei ungünstige Rechtsauffassungen oder Verfahrensverstöße im Rahmen der Verfahrensleitung für sich genommen nicht die Annahme eines Befangenheitsgrundes. Denn die Befangenheitsablehnung ist grundsätzlich kein Instrument der Fehler- und Verfahrenskontrolle. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das Vorgehen des Richters auf einer unsachlichen Einstellung gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht (vgl. BVerfGE 102, 122; 82, 30; BVerfG NJW 1998, 612; BGH NJW 2004, 164; NJW-RR 1998, 612; Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2018 - 6 W 1/18 -, vom 9. Mai 2018 - 6 WF 61/18 -, vom 2. Februar 2018 - 6 WF 17/18 -, vom 16. November 2015 - 6 WF 136/15 - und vom 30. Juni 2014 - 6 WF 102/14 -; Beschlüsse des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 27. April 2017 - 9 WF 23/17 -, vom 6. Februar 2015 - 9 WF 7/15 und vom 17. April 2012 - 9 WF 19/12 -).
Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil eine Terminsverlegung nach (hier: § 32 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m.) § 227 Abs. 1 ZPO nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist die Lage allerdings dann, wenn entweder solche Gründe offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für den betreffenden Beteiligten schlechthin unzumutbar wäre und somit dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder aber sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (BGHZ 27, 163; BGH FamRZ 2006, 944; Senatsbeschluss vom 25. Juli 2018 - 6 WF 103/18 -).
In den in § 155 Abs. 1 FamFG genannten Kindschaftssachen sind dabei das in dieser Vorschrift geregelte Vorrang- und Beschleunigungsgebot sowie ferner § 155 Abs. 2 S. 4 und S. 5 FamFG zu berücksichtigen, demgemäß eine Verlegung eines vom Familiengericht bestimmten Erörterungstermins nur aus zwingenden Gründen zulässig ist, wobei der Verlegungsgrund glaubhaft zu machen ist. Ein solch zwingender Grund für eine Terminsverlegung kann allerdings auch eine geplante Fortbildung des Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten...