Leitsatz (amtlich)

Eine Aussetzung nach § 148 ZPO kommt auch dann in Betracht, wenn gegen eine vorläufige Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit eine Verfassungsbeschwerde erhoben ist.

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 22.10.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat vor dem AG Merzig mit Klageschrift vom 5.11.2008 einen Anspruch auf Zugewinnausgleich geltend gemacht (30 F 230/08 GÜ), obwohl die Parteien in einem notariellen Vertrag vom 28.6.1989 unter Ziff. II 1 Gütertrennung und im Hinblick darauf unter Ziff. II 2 vereinbart hatten, dass der Beklagte sich verpflichtete, der Klägerin die Hälfte seiner Einkünfte (...) zur Verfügung zu stellen und entsprechend Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen. Diese Klage wurde vom Familiengericht abgewiesen, die Berufung wurde mit Urteil des Saarländischen OLG vom 30.6.2011 (6 UF 121/10) zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Verfassungsbeschwerde ein, über die noch nicht entschieden ist.

In vorliegendem Rechtsstreit macht die Klägerin mit Klageschrift vom 24.8.2009 einen Anspruch auf Auskunft und Zahlung der hälftigen Einkünfte während der Ehezeit entsprechend Ziff. II 2 des notariellen Vertrages vom 28.6.1989 geltend.

Das LG Saarbrücken hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 10.10.2012 gem. § 148 ZPO ausgesetzt bis zur Entscheidung im Verfassungsbeschwerdeverfahren. Gegen diesen Beschluss, der der Klägerin am 15.10.2012 zugestellt worden ist, hat diese am 23.10.2012 Beschwerde eingelegt. Das LG Saarbrücken hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 252, 567 ZPO) der Klägerin ist nicht begründet.

Die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 148 ZPO liegen vor. Von dem eingeräumten Ermessen hat das LG Saarbrücken ermessenfehlerfrei Gebrauch gemacht.

(1.) Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit die Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus, also dass die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann (BGH, Beschl. v. 28.2.2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575).

Vom Ausgang des Zugewinnausgleichsverfahren (30 F 230/08 GÜ des AG Merzig, jetzt des Verfassungsbeschwerdeverfahrens 1 BvR 1974/11) hängt es ab, ob der Klägerin ein Zugewinnausgleichsanspruch gegen den Beklagten zusteht oder nicht. Wird darüber rechtskräftig und unumstößlich entschieden, steht gleichzeitig fest, ob der Klägerin ein Auskunfts- bzw. Zahlungsanspruch gem. Ziff. II 2 des notariellen Vertrages vom 28.6.1989 zustehen kann oder nicht. Denn diese Ansprüche schließen sich gegenseitig aus. Zwar ist die eingelegte Verfassungsbeschwerde kein ordentliches Rechtsmittel, welches den Eintritt der Rechtskraft hindert (BVerfG, Beschl. v. 18.1.1996 - 1 BvR 2116/94, NJW 1996, 1736). Trotzdem ist der Rechtsstreit um den Zugewinnausgleichsanspruch vor dem Familiengericht noch nicht i.S.d. § 148 ZPO "erledigt", denn je nach dem Ausgang der Verfassungsbeschwerde kann sich die Entscheidung im Zugewinnausgleichsverfahren ändern (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Dies rechtfertigt die Aussetzung nach § 148 ZPO (s. auch LG Düsseldorf, InstGE 5, 66).

Ansonsten bestände die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, die nicht in jedem Fall korrigiert werden könnten. Das soll durch § 148 ZPO verhindert werden (KG KGReport Berlin 2009, 957; Wagner in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 148 Rz. 1). Außerdem dient § 148 ZPO dazu, Mühen und Kosten einer wiederholten Prüfung der Tatsachen- und Rechtslage zu beseitigen oder zu verringern (Wagner in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 148 Rz. 1). Dem durfte das LG mit einer Aussetzung Rechnung tragen. Ohne Aussetzung wäre der Beklagte in vorliegendem Verfahren gezwungen, im Falle der Verurteilung Rechtsmittel einzulegen, selbst wenn er seine Verpflichtung gem. Ziff. II 2 des notariellen Vertrages vom 28.6.1989 nicht in Frage stellt, um nicht später zwei Vollstreckungstiteln ausgesetzt zu sein. Damit würden unnötige Arbeit und Kosten heraufbeschworen. Die Erklärung der Klägerin, sie würde sich nicht auf widersprechende Entscheidungen berufen, sichert den Beklagten nicht in ausreichendem Maße.

Im Übrigen stehen die Klageanträge vor dem Familiengericht und dem Zivilgericht in einem Verhältnis, welches einen Haupt- und Hilfsantrag erfordert hätte, wenn sämtliche Ansprüche vor demselben Gericht eingeklagt worden wären. In einem solchen Fall, wird über den Hilfsantrag erst ...

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