Verfahrensgang
AG Merzig (Aktenzeichen 30 F 120/22 EASO) |
Tenor
Unter Aufhebung der Vorlageverfügung des Amtsgerichts - Familiengericht - in Merzig vom 25. Oktober 2022 - 30 F 120/22 EASO - wird die Sache zur Neuentscheidung über die einstweilige Anordnung nach mündlicher Erörterung an das Familiengericht zurückgegeben.
Gründe
Eine Beschwerde ist in einstweiligen Anordnungsverfahren in Familiensachen nach § 57 S. 2 FamFG ausschließlich für die dort abschließend aufgezählten Verfahrensgegenstände - zu denen gemäß Nr. 1 die elterliche Sorge für ein Kind gehört - eröffnet, soweit das Gericht des ersten Rechtszuges "auf Grund mündlicher Erörterung" entschieden hat. Ist die Entscheidung über eine einstweilige Anordnung in einer solchen Familiensache ohne mündliche Erörterung ergangen, ist gemäß § 54 Abs. 2 FamFG auf Antrag aufgrund mündlicher Erörterung erneut zu entscheiden.
Der gegen die angegangene einstweilige Anordnung, wodurch das Familiengericht der Antragstellerin (fortan: Mutter) die Entscheidung über die Beantragung einer sozialpädagogischen Familienhilfe gemäß § 31 SGB VIII vorläufig zur alleinigen Ausübung übertragen hat, eingelegte Rechtsbehelf des Antragsgegners (Vater) wäre als Beschwerde - unbeschadet der Frage seiner Zulässigkeit im Übrigen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) - wegen § 57 S. 1 FamFG jedenfalls unstatthaft und ist - mit der auf den Senatshinweis vom 28. Oktober 2022 hin ausdrücklich erklärten Billigung des Verfahrensbevollmächtigten des Vaters - als Antrag auf Neuentscheidung auf Grund mündlicher Erörterung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG zu behandeln (vgl. dazu auch Senatsbeschlüsse vom 2. Februar 2022 - 6 UF 14/22 - und vom 6. Januar 2022 - 6 UF 177/21 - jeweils m.w.N.).
Dem steht § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG nicht entgegen, weil die von dieser Vorschrift vorausgesetzte mündliche Erörterung bislang nicht stattgefunden hat. Denn ungeachtet der Frage, ob in dem Erörterungstermin im Rahmen des sorgerechtlichen Hauptsacheverfahrens 30 F 58/22 SO am 3. Juni 2022, in welchem das Familiengericht das hiesige Verfahren "angelegt" hat, überhaupt eine mündliche Erörterung aller im Eilverfahren entscheidungserheblichen Aspekte - insbesondere der Dringlichkeit im Sinne von § 49 Abs. 1 FamFG als besondere Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung - mündlich erörtert worden sind (siehe dazu Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht, 8. Aufl. 2021, § 7, Rz. 49 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 - 6 UF 14/22 -), ist dem Vater eine Ladung zum Termin am 3. Juni 2022 in der Sache 30 F 58/22 SO nicht ordnungsgemäß nach § 15 Abs. 1 und 2 FamFG bekannt gegeben worden. Ausweislich der dem Senat vorliegenden Verfahrensakten 30 F 58/22 SO ist eine Ladung des Vaters zu jenem Termin vielmehr gänzlich unterblieben und ist der Vater auch nicht zum Termin erschienen. Eine mündliche Erörterung nach § 57 S. 2 FamFG setzt jedoch die ordnungsgemäße Bekanntgabe der Ladung voraus (OLG Koblenz, Beschluss vom 7. Dezember 2016 - 11 UF 626/16 -, juris; Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 57 FamFG Rn. 4), welche grundsätzlich auch dann bewerkstelligt werden kann, wenn ein Beteiligter unbekannten Aufenthaltes ist (§ 15 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. §§ 166 bis 195 ZPO).
Indem das Familiengericht hier den in der Sache 30 F 58/22 SO anberaumten Erörterungstermin durchgeführt hat, ohne dass der Vater Kenntnis hiervon und vom Begehren der Mutter hatte, fehlte es an einer Möglichkeit des Vaters, sein Recht auf rechtliches Gehör wahrzunehmen, sich vor Erlass der einstweiligen Anordnung im Rahmen einer mündlichen Erörterung zu äußern und der Darstellung der Mutter entgegenzutreten oder an einer gütlichen Einigung mitzuwirken. Dann erfüllt das Vorgehen des Familiengerichts aber im Lichte des verfassungsrechtlich verbürgten Rechts auf ordnungsgemäße Gehörsgewährung (Art. 103 Abs. 1 GG), das in § 37 Abs. 2 FamFG einfachrechtlich konkretisiert wird, die entscheidende Funktion der vor einer Beschwerdeeröffnung zwingend vorgeschriebenen mündlichen Erörterung nicht und stellt eine mündliche Erörterung im Rechtssinne nicht dar (OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 2. November 2012 - 10 UF 269/12 -, juris; Senatsbeschlüsse, a.a.O.). Dass eine solche stattgefunden haben soll, ist im Übrigen auch weder dem im Termin am 3. Juni 2022 verkündeten und zu Protokoll diktierten Beschluss des Familiengerichts noch der nachfolgenden Beschlussausfertigung zu entnehmen.
Nach alledem ist die Vorlageverfügung des Familiengerichts aufzuheben und die Sache zur Neuentscheidung in eigener Zuständigkeit nach mündlicher Erörterung an dieses zurückgegeben.
Die im Rahmen der Beschlussausfertigung angefügte fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung des Familiengerichts schafft kein - in Wahrheit nicht gegebenes - Rechtsmittel (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.).
Weder eine Kostenentscheidung noch eine Wertfestsetzung durch den Senat sind veranlasst.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 70 Abs. 4 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 16080394 |
NZFam 2023, 845 |