Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückführung eines Kindes zu seinen Eltern nach längerer Familienpflege
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Ablehnung des Erlasses einer Verbleibensanordnung zu Gunsten der Pflegeeltern, bei denen das Kind mehrere Jahre gelebt hat, wenn das Kind eine positive Haltung zur Rückführung zu seinen Eltern hat.
2. Zu den methodischen Anforderungen an ein Sachverständigengutachten.
3. Das Einverständnis der Eltern, sich alle drei Monate Untersuchungen ihrer Person auf Alkohol- und Drogenkonsum zu unterziehen, sofern sie hierfür die Kosten nicht selbst tragen müssen, kann mangels tragfähiger Rechtsgrundlage nicht zum Anlass genommen werden, sie förmlich hierzu zu verpflichten.
Normenkette
BGB § 1685 Abs. 1-2, § 1632 Abs. 4, § 1666a; GG Art. 6 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG St. Ingbert (Beschluss vom 27.05.2011; Aktenzeichen 4 F 217/07 SO) |
Tenor
1. Die Beschwerden der Pflegeeltern und des Jugendamts gegen den Beschl. des AG - Familiengericht - in St. Ingbert v. 27.5.2011 - 4 F 217/07 SO und 4 F 309/10 EAUG - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Absätze 2 bis 4 und 8 dieses Beschlusses aufgehoben und den Eltern stattdessen aufgegeben wird, ab Rückkehr M. in ihren Haushalt Familienhilfe als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen und bis Ende März 2012 ihre regelmäßigen Gespräche bei der Drogenberatungsstelle A. mindestens einmal monatlich fortzusetzen.
2. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges werden nicht erstattet. Für die erste Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung des Familiengerichts.
Gründe
I. Aus der Verbindung der Mutter und des Vaters - beide Deutsche -, die nicht miteinander verheiratet waren oder sind, ging - neben dem am 11.11.2010 geborenen, bei den Eltern lebenden und nicht verfahrensbetroffenen Sohn R. - am 25.5.2004 der Sohn M. hervor. Für beide Kinder gaben die Eltern nach Anerkennung der Vaterschaft durch den Vater Sorgeerklärungen ab.
Die Eltern sind dem Jugendamt seit September 2005 bekannt. Auf eine aufgrund vermuteten Drogen- und Alkoholkonsums der Eltern eingereichte Gefährdungsanzeige des Jugendamts hin hatte das Familiengericht St. Ingbert im März 2007 das beigezogene Verfahren 4 F 35/07 SO eingeleitet. Dieses Verfahren wurde, nachdem die Eltern dem Gericht in einem Anhörungstermin die Zusage gemacht hatten, die Hilfe des Jugendamts in Anspruch zu nehmen, v. Familiengericht nicht über Oktober 2007 hinaus weiterbetrieben.
Da die Eltern trotz einer v. 28.8.bis 8.10.2007 durchgeführten Clearingmaßnahme des H. ihre Zusage in der Folgezeit nicht eingelöst, insbesondere weiterhin Alkohol und Drogen konsumiert hatten, zeigte das Jugendamt beim Familiengericht St. Ingbert erneut eine Gefährdung M. an.
Das Familiengericht hat hierauf im November 2007 das vorliegende Sorgerechtsverfahren 4 F 217/07 SO eingeleitet. In einem Anhörungstermin v. 30.11.2007 haben die Eltern zugesichert, an ihrer Drogen- und Alkoholproblematik zu arbeiten. Dies haben sie im Anhörungstermin v. 25.1.2008 bekräftigt und dort einen Antrag auf Familienhilfe unterzeichnet. Die Familienhilfe ist ab 6.2.2008 installiert worden. Beide Eltern haben - unregelmäßig - Beratungsgespräche bei Suchtberatungsstellen wahrgenommen. Aufgrund fehlender Mitarbeit der Eltern ist die Familienhilfe am 16.6.2008 beendet worden.
Im Anhörungstermin v. 25.6.2008 hat das Familiengericht den Eltern durch - nicht mit Gründen versehene - "vorläufige Anordnung" die elterliche Sorge entzogen und diese dem Jugendamt als Vormund übertragen. M. wechselte noch am selben Tage v. Haushalt der Eltern in den der Pflegeeltern. Begleiteter Umgang der Eltern mit M. hat viermal einstündig im Zeitraum November 2008 bis Januar 2009 und danach - die Pflegemutter hatte extreme Unruhe und Aufsässigkeit M. eingewandt - bis November 2009 nicht mehr stattgefunden.
Im Anschluss an Entgiftungen und stationäre psychiatrische Behandlungen haben die Eltern Ende Juni 2009 eine stationäre Therapie im Therapiezentrum S. begonnen.
Im beigezogenen Verfahren 4 F 239/09 EAUG hat das Familiengericht St. Ingbert auf Antrag der Eltern mit einstweiliger Anordnung v. 9.12.2009 diesen ab Dezember 2009 ein zeitlich nicht näher konkretisiertes begleitetes Umgangsrecht mit M. in der Therapieeinrichtung S. eingeräumt.
Ab Ende März/Anfang April 2010 haben sich die Eltern in der Nachsorgegruppe der Therapieeinrichtung S. in J. behandeln lassen. Am 3.9.2010 ist die Nachsorge beendet worden. In der Nachfolge sind die Eltern - nach zwischenzeitlichen Aufenthalten des Vaters in einem Obdachlosenasyl und der damals hochschwangeren Mutter in einem Frauenhaus - nach S. umgezogen und haben Kontakt zur Suchtberatungsstelle A. aufgenommen.
Mit am 9.12.2010 eingegangenem Eilantrag haben die Eltern im vorliegend ebenfalls zunächst noch gegenständlichen Umgangsrechtsverfahren 4 F 309/10 EAUG eine vorläufige Umgangsregelung mit M. begehrt.
Eine im Rahmen des vorliegenden Verfahrens von beiden Eltern am 6.4.2011 ab...