Leitsatz (amtlich)
Auch in Arzthaftungssachen scheidet ein rechtliches Interesse an einer vorprozessualen Beweiserhebung i.S.d. § 485 Abs. 2 ZPO über das Vorliegen eines Behandlungsfehlers sowie über die Frage nach der Ursächlichkeit der fehlerhaften Behandlung für eingetretene Gesundheitsschäden und das Ausmaß der Schädigung nicht grundsätzlich aus.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 22.02.2007; Aktenzeichen 16 OH 37/06) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 8.3.2007, eingelegt am 13.3.2007, wird der Beschluss der 16. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 22.2.2007 - Az.: 16 OH 37/06 - dahin abgeändert, dass im selbständigen Beweisverfahren Beweis erhoben werden soll über folgende Fragen:
1. War die von den Antragsgegnern am 23.2.2004 gestellte Diagnose über die Verletzungen, die der Antragsteller bei einem Unfall (Sturz) am 21.2.2004 erlitten hat, fehlerhaft und hätte diese fehlerhafte Diagnose bei sorgfältiger Untersuchung, möglicherweise durch Einschaltung eines Radiologen oder Durchführung einer Kernspintomographie, vermieden werden können?
2. War die an die Diagnose der Antragsgegner anschließende therapeutische Heilbehandlung durch die Antragsgegner fehlerhaft und hätte diese fehlerhafte Behandlung bei sorgfältiger Überprüfung der Diagnose und insbesondere unter Beachtung der vermehrten Schmerzzustände des Antragstellers als fehlerhaft erkannt werden können?
3. Wurden durch eine fehlerhafte Diagnose und/oder fehlerhafte Behandlung seitens der Antragsgegner der Heilbehandlungsverlauf und die Schmerzzustände des Antragstellers negativ beeinflusst; wenn ja: für welchen Zeitraum und mit welcher prozentualen Minderung der Erwerbsfähigkeit? durch Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens, von dem Antragsteller beantragt.
Die Auswahl des zu beauftragenden Sachverständigen, dessen evtl. Ermächtigung zur Beiziehung einschlägiger Krankenunterlagen sowie die Bestimmung eines von dem Antragsteller zu entrichtenden Auslagenvorschusses bleiben dem LG vorbehalten.
II. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 14.3.2007 wird der Kostenbeschluss der 16. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 5.3.2007 aufgehoben.
III. Ohne Kostenentscheidung.
Gründe
A. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss vom 22.2.2007 ist zulässig.
Gegen Entscheidungen, durch die Anträge auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen werden, ist nach allgemeiner Auffassung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gegeben (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., Rz. 4 zu § 490 ZPO; Musielak/Huber, ZPO, 5. Aufl., Rz. 7 zu § 490 ZPO; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., Rz. 3 zu § 490 ZPO). Die von dem Antragsteller eingelegte sofortige Beschwerde genügt weiterhin den Zulässigkeitserfordernissen des 3 569 ZPO.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zu der mit ihm nachgesuchten Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die von dem Antragsteller unterbreiteten Beweisfragen zu 1) und zu 2) zielten darauf hin, ob dem ihm behandelnden Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Diese Beweisfrage sei indessen nach einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens nicht zulässig. Gleiches gelte für die Beweisfrage zu 3), die die Ursächlichkeit eines Behandlungsfehlers für gesundheitliche Beeinträchtigungen zum Gegenstand habe.
Diese Auffassung vermag der erkennende Senat sich nicht anzuschließen. Er sieht im Gegenteil die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines sog. "streitschlichtenden Beweisverfahrens (vgl. zur Terminologie Musielak/Huber, a.a.O., Rz. 2 zu § 485 ZPO) nach § 485 Abs. 2 ZPO als gegeben an und geht davon aus, dass in Anwendung dieser Vorschrift dem Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren zu entsprechen ist.
Nach § 485 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kann eine Partei, sofern noch kein Rechtsstreit anhängig ist, eine schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass die Ursache eines Personenschadens festgestellt wird. Dabei ist der Begriff des rechtlichen Interesses im Sinne der Vorschrift weit zu interpretieren (vgl. Musielak/Huber, a.a.O., Rz. 13 zu § 485 ZPO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., Rz. 8 zu § 485 ZPO; BGH NJW 2004, 3488; OLG Karlsruhe VersR 2003, 375) und jedenfalls dann vom Vorliegen dieser Voraussetzung auszugehen, wenn die beantragte Begutachtung durch einen Sachverständigen der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann (§ 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Von einer derartigen Sachlage aber ist im vorliegenden Fall auszugehen. Dem Antragsteller geht es um eine sachverständige Abklärung der von ihm aufgeworfenen Beweisfragen, um evtl. Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Arzthaftung hinreichend begründen und belegen zu können. Er geht dabei davon aus, d...