Leitsatz (amtlich)

Die Prüffrist des Kfz.-Pflichtversicherers beginnt mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens. Für den Zugang dieses Schreibens ist auch im Anwendungsbereich des § 93 ZPO der geschädigte Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 9 O 208/18)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 18.01.2019 wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 10.01.2019 (9 O 208/18) dahingehend abgeändert, dass dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 985,52 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger hat die Beklagte auf Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles in Anspruch genommen, der sich am 29.08.2018 in Ü. ereignet hat.

Der Kläger gab am Folgetag ein Schadengutachten in Auftrag, welches am 13.09.2018 erstellt wurde. Unter dem 24.09.2018 wurde die Beklagte seitens der Prozessbevollmächtigten des Klägers per email angeschrieben mit der Aufforderung, den näher bezifferten Schadensbetrag "innerhalb von 14 Tagen ab Datum vorliegenden Schreibens" auf das Fremdgeldkonto der Prozessbevollmächtigten zu überweisen (Bl. 37 d.A.). Der Zugang dieses Schreibens ist streitig. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 11.10.2018 wurde die Beklagte aufgefordert, nunmehr das Schreiben vom 24.09.2018 "innerhalb von 7 Tagen ab Datum vorliegenden Schreibens zu erledigen", anderenfalls werde das gerichtliche Klageverfahren in die Wege geleitet.

Mit e-mail-Schreiben vom 30.10.2018 an die Klägervertreter bestätigte die Beklagte, dass sie für den unfallbedingten Schaden am Fahrzeug dem Grunde nach aufkommen werde. Das Schreiben vom 24.09.2018 liege indes nicht vor. Sie bat darum, die Schadensersatzansprüche zu beziffern und zu belegen (Bl. 43 d.A.).

Der Kläger reichte am 05.11.2018 die auf den 24.10.2018 datierte Klageschrift ein, nachdem am 02.11.2018 der Kostenvorschuss an der Gerichtszahlstelle des AG Saarlouis gezahlt wurde.

Nach Klagezustellung meldete sich die Beklagte selbst mit Schreiben vom 09.11.2018 und teilte mit, von einer Prozessführung Abstand nehmen zu wollen. Der Klagebetrag sei am selben Tag überwiesen worden. Sie ging von einer Klagerücknahme aus und stimmte für den Fall, dass die Hauptsache für erledigt erklärt wird, bereits ausdrücklich zu. Zugleich verwahrte sie sich gegen die Kostenlast unter Hinweis auf das Schreiben vom 30.10.2018, auf welches keine Reaktion erfolgt sei (Bl. 42 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 22.11.2018 erklärte der Kläger den Rechtsstreit für erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Dieser wurde der Beklagten zugestellt mit dem Hinweis entsprechend § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10.01.2019 wurden der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. § 93 ZPO wurde nicht zugunsten der Beklagten angewendet, da der Sachvortrag des Klägers zu einem vorprozessualen Verzug der Beklagten nicht wirksam bestritten worden sei (Bl. 50 d.A.).

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 18.01.2019.

Nach ihrer Auffassung habe keine Veranlassung zur Klage bestanden. Das außergerichtliche Schreiben der Klägervertreter vom 24.09.2018 habe sie nicht - auch nicht per email - bekommen (Bl. 68 d.A.). Lediglich aus dem weiteren Schreiben vom 11.10.2018 habe sie erkennen können, dass offensichtlich ein solches Schreiben existiere. Auf die Mitteilung an den Klägervertreter vom 30.10.2018 sei keine außergerichtliche Reaktion erfolgt, vielmehr sei Klage erhoben worden. Mangels Zugang des Anspruchsschreibens sei eine Regulierung nicht möglich gewesen, so dass auch keine Veranlassung zur Klage bestanden habe. Überdies sei die Klage vom 24.10.2018 auch deshalb verfrüht, da dem Haftpflichtversicherer regelmäßig eine ausreichende Prüfungs- und Regulierungsfrist einzuräumen sei. Diese beginne erst mit Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens. Die Dauer der Prüfungsfrist sei vom Einzelfall abhängig, wobei bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall 4 bis 6 Wochen angemessen seien. Bei Fertigung der Klage seien gerade erst 4 Wochen ab Datierung des Anspruchsschreibens vergangen (Bl. 56 d.A.).

Die Beklagte beantragt, den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 10.01.2019, Az: 9 O 208/18, dahingehend abzuändern, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits trägt.

Der Kläger beantragt, die sofortige Beschwerde der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger rügt den Vortrag als verspätet. Es hätte der Beklagten freigestanden, sich deutlich früher anwaltlichen Beistandes zu versichern und sich in dem unter Anwaltszwang stehenden Prozessverfahren Gehör zu verschaffen. Soweit die Beklagte behauptet, das Schreiben vom 24.09.2018 nicht erhalten zu haben, sei dies falsch. Es sei noch am gleichen Tag per email an die Beklagte übermittelt worden. Die Klage sei überdies erst Anfang ...

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