Leitsatz (amtlich)
Ablehnung eines Sachverständigen bei Verletzung von § 357 ZPO zum Nachteil einer Partei.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 23.11.2012; Aktenzeichen 15 O 253/11) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.11.2012 wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 23.11.2012 - Az.: 15 O 253/11 - abgeändert und das Gesuch der Beklagten auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. R. K. vom 5.11.2012 für begründet erklärt.
2. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Mangelhaftigkeit der vom Kläger bei der Beklagten erworbenen Fliesen.
Mit Beschl. v. 14.4.2011 - 24 H 12/11 - hat das AG Saarlouis den Sachverständigen Dr. R. K. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 30.5.2011 erstattet hat.
Nach Klageerhebung in vorliegender Sache hat das LG Saarbrücken durch Verfügung vom 18.7.2012 Termin bestimmt zur mündlichen Erläuterung des Sachverständigengutachtens und dem Sachverständigen Dr. K. aufgegeben, die Fliesen nochmals beim Kläger in Augenschein zu nehmen, nachdem zwischenzeitlich Reinigungsversuche durchgeführt worden waren. Im Termin vom 5.11.2012 erklärte der Sachverständige, dass er sich die Fliesen im Haus des Klägers vor dem Termin angesehen habe. Davon hatte der Sachverständige weder die Beklagte noch die Prozessbevollmächtigten beider Parteien unterrichtet. Die Beklagte lehnte daraufhin noch im Termin am 5.11.2012 den Sachverständigen Dr. K. wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Der Sachverständige hat erklärt, er habe die Inaugenscheinnahme gemäß Verfügung vom 18.7.2012 nicht als "offiziellen" Ortstermin angesehen.
Das LG hat den Ablehnungsantrag mit Beschl. v. 23.11.2012 - 15 O 253/11 (Bl. 141 d.A.) zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.11.2012 sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 4.12.2012 (Bl. 154 d.A.) nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere gem. § 406 Abs. 5 ZPO statthaft und innerhalb der Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt. Sie ist auch begründet, weil die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit gem. §§ 406 Abs. 1, Abs. 3, 42 ZPO erfüllt sind.
Der Senat hatte durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden, weil die angefochtene Entscheidung vom Einzelrichter erlassen wurde.
(1.) Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Gemäß § 42 ZPO genügt es, dass objektive Umstände gegeben sind, aufgrund deren vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung besteht, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (BGH, Urt. v. 15.4.1975 - X ZR 52/75, NJW 1975, 1363; BGH, Beschl. v. 23.10.2007 - X ZR 100/05 - GRUR 2008, 191). Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen hegt oder ob dieser tatsächlich parteiisch ist oder sich nach Lage der Dinge zumindest darüber hätte bewusst sein können, dass sein Verhalten geeignet sein könnte, Zweifel an seiner Neutralität aufkommen zu lassen. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei der - nicht auf rein subjektiven oder unvernünftigen Vorstellungen beruhende - Anschein einer Voreingenommenheit besteht (BGH, Beschl. v. 23.10.2007 - X ZR 100/05 - GRUR 2008, 191).
Letzteres ist der Fall, weil der Sachverständige Dr. K. bei der Inaugenscheinnahme der Fliesen nach dem Reinigungsversuch vor der Gutachtenerläuterung im Termin vom 5.11.2012 den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit gem. § 357 ZPO zum Nachteil der Beklagten verletzt hat.
Führt ein Sachverständiger zur Vorbereitung seines Gutachtens eine Orts- und Sachbesichtigung in Anwesenheit nur einer der Parteien durch, ohne die andere zu benachrichtigen und ihr Gelegenheit zur Teilnahme zu geben, so lässt ihn dies nach herrschender Meinung als befangen erscheinen (BGH, Beschl. v. 15.4.1975 - X ZR 52/75, NJW 1975, 1363; OLG Karlsruhe MDR 2010, 1148; OLG Saarbrücken MDR 2007, 1279; OLG Bremen OLGReport Bremen 2009, 700; OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2009, 573). Dies rechtfertigt sich aus dem Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit, weil sich der Sachverständige der einseitigen Einflussnahme einer Partei aussetzt. Eine verständige Partei darf in der Folge mutmaßen, dass hierbei auch ein - für sie nach Inhalt und Umfang nicht zu überblickender - Informations- und Meinungsaustausch über das streitige Rechtsverhältnis stattgefunden hat. Dies ist aus Sicht eines unbefangenen Dritten geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu begründen (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.7.2004 - 5 W 88/04, OLGReport Saarbrücken 2004, 612; Beschl. v. 27.4.2007 - 5 W 104/07, OLGReport Saarbrücken 2007, 636). Deshalb ist es grundsätzlich unerheblich, ob die fehlende Unterrichtung der abwesenden Pa...