Leitsatz (amtlich)
Ist ein Befangenheitsantrag gem. § 43 ZPO unzulässig, weil sich die Partei in Kenntnis der Ablehnungsgründe auf eine Verhandlung vor dem abgelehnten Richter eingelassen hat, so begründet es keinen selbständigen Ablehnungsgrund, wenn der Richter nach Stellung eines Befangenheitsantrag seine vermeintliche Befangenheit nicht sofort einräumt.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 04.07.2006; Aktenzeichen 11 S 164/05) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Saarbrücken vom 4.7.2006 (11 S 164/05) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 704,64 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 2.6.2006 (Bl. 249 d.A.) hat der Kläger die als Einzelrichterin im Berufungsverfahren zuständige Richterin am LG K.- M. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt (Bl. 265 d.A.) und dies mit Äußerungen der Richterin in der mündlichen Verhandlung vom 12.5.2006 (Protokoll Bl. 166 d.A.) begründet, die belegten, dass diese die Vorwürfe der Beklagtenseite ungeprüft übernommen und dadurch ihre fehlende Unvoreingenommenheit gezeigt habe.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4.7.2006 (Bl. 331 d.A. - den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 11.8.2006 (Bl. 339 d.A.) hat die 11. Zivilkammer des LG Saarbrücken - nach Einholung einer dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin (Bl. 324 d.A.) - das Ablehnungsgesuch gem. § 43 ZPO als unzulässig verworfen, da der Kläger in der Sitzung vom 12.5.2006 zur Sache verhandelt und einen Antrag gestellt habe.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.8.2006 (eingegangen am selben Tage - Bl. 340 d.A.) sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss abzuändern und dem Ablehnungsgesuch stattzugeben.
Der Kläger ist der Auffassung, die Ablehnung des Befangenheitsantrags trotz Kenntnis des Befangenheitsgrunds sei rechtsfehlerhaft (Bl. 344 d.A.). Das Ablehnungsrecht bleibe bestehen, wenn die Verhandlung und die Antragstellung durch ein inkorrektes gerichtliches Verfahren veranlasst seien (Bl. 345 d.A.). Das LG habe weder seiner Hinweispflicht gem. § 139 ZPO genügt und auf seine Befangenheit hingewiesen noch habe es nach der Rüge sich unbefangen mit den Gründen der Rüge auseinandergesetzt. Hieraus ergäben sich erneute Ablehnungsgründe, so dass hilfsweise erneut Befangenheitsantrag gestellt werde (Bl. 345 d.A.). Bei einem Gesamttatbestand komme es auf die Verwirklichung des letzten Teilakts an, so dass das Ablehnungsrecht nicht nach § 43 ZPO ausgeschlossen sei (Bl. 345 d.A.).
Der Kläger habe zudem befürchten müssen, dass das LG im Falle der Rüge und darauf folgender Nicht-Verhandlung ein Versäumnisurteil erlassen oder eine abschließende Sachentscheidung treffen würde. Auf Grund der geäußerten Rechtsansichten des Gerichts habe der Klägervertreter nicht absehen können, welche Folgen eine Nichtverhandlung zum Zweck des Erhalts des Ablehnungsrechts haben würde (Bl. 345 d.A.). Das Gericht sei auf Grund eklatanter Verstöße gegen Grundsätze des Zivilprozesses und des Strafrechts verpflichtet gewesen, seine Befangenheit anzuzeigen oder diese nach der Rüge zuzugeben (Bl. 345 d.A.). Der Verstoß gegen die Pflicht gem. § 48 ZPO, die Befangenheit zu offenbaren stelle einen weiteren unabhängigen Ablehnungsgrund dar (Bl. 347 d.A.).
Der Kläger beantragt des Weiteren die Verweisung an eine andere Kammer des LG, welche auf Grund besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten unabhängig vom Schicksal des Befangenheitsantrags erforderlich sei (Bl. 346 d.A.).
Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 4.10.2006 (Bl. 348 d.A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen OLG vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insb. gem. § 46 Abs. 2 ZPO statthaft und fristgerecht eingelegt.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Zurecht hat das LG das Ablehnungsgesuch des Klägers gem. § 43 ZPO als unzulässig verworfen.
1. Die Ablehnung stützt der Kläger auf Äußerungen der Richterin im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage. Nach diesen Erörterungen hat der Klägervertreter ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 12.5.2006 nicht nur Erklärungen zur Sache abgegeben, also verhandelt, sondern auch einen Antrag gestellt (Bl. 167 d.A.). Dies geschah in Kenntnis der kurz zuvor getätigten Äußerungen der Richterin.
2. Dahinstehen kann es, ob die Richterin verpflichtet war, ihre vermeintliche Befangenheit gem. § 48 ZPO zu offenbaren bzw. auf diese gem. § 139 ZPO hinzuweisen und ob dies einen selbständigen weiteren Befangenheitsgrund darstellt. Denn auch dieses Unterlassen der Richterin während ihrer Erörterungen zur Sach- und Rechtslage in der Sitzung vom 12.5.2006 war dem Klägervertreter bei Verhandlung und Antragstellung bekannt. Da er darüber hinaus die Äußerungen der Richterin, die seiner Ansicht nach zu der vermeintlichen Befangenheit geführt haben sol...