Leitsatz (amtlich)
Bei der Entscheidung des Vollstreckungsleiters, keinen Aufschub der Vollstreckung eines Jugendarrests zu gewähren, handelt es sich nicht um eine jugendrichterliche Entscheidung nach § 83 Abs. 1 JGG, sondern um einen Justizverwaltungsakt. Über Einwendungen gegen diese Entscheidung entscheidet, wenn nicht die Jugendkammer nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 JGG zuständig ist, das Gericht des ersten Rechtszuges.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 24.05.2017; Aktenzeichen 3 Qs 23/17) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 1. Juni 2017 wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken - Jugendkammer I - vom 24. Mai 2017
a u f g e h o b e n.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten in diesem entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Tiergarten vom 11. März 2016 (Bl. 165 ff. d. A.) - rechtskräftig seit dem 23.06.2016 - wurde gegen den Verurteilten wegen Betruges unter anderem ein Dauerarrest von einer Woche verhängt.
Nachdem mehrere Ladungen zur Vollstreckung des Jugendarrests fehlgeschlagen waren und der Verurteilte seinen Wohnsitz nach Trier verlegt hatte, gab der zunächst zuständige Jugendrichter mit Beschluss vom 22. Februar 2017 (Bl. 245 d. A.) die Vollstreckung des Arrests an den Jugendrichter des Amtsgerichts Trier ab. Die dort zuständige Jugendrichterin übernahm die Vollstreckung mit Beschluss vom 17. März 2017 (Bl. 250 d. A.).
Mit Verfügung vom 24. März 2017 (Bl. 253 d. A.) wurde der Verurteilte durch den Vollzugsleiter des Amtsgerichts Lebach zum Antritt des Arrests in der Jugendarrestanstalt Lebach auf den 15.05.2017 geladen.
Mit nicht datiertem, am 25.04.2017 beim Amtsgericht Lebach eingegangenem Schreiben (Bl. 254 d. A.) beantragte der Verurteilte "die Verlegung des Termins in die Semesterferien." Mit Schreiben vom 26. April 2017 (Bl. 254 Rs d. A.) teilte der Vollzugsleiter dem Verurteilten mit, dass eine Verlegung des Arrests auf die Zeit nach dem 31.08.2017 aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei und es bei der Ladung zum 15.05.2017 verbleibe.
Gegen diese Entscheidung legte die Verteidigerin des Verurteilten mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017 (Bl. 258 d. A.) "sofortige Beschwerde" ein.
Mit Beschluss vom 24. Mai 2017 (Bl. 283 ff. d. A.) verwarf das Landgericht Saarbrücken "die sofortige Beschwerde" als unbegründet. Dabei ging es davon aus, dass das am 25.04.2017 beim Amtsgericht Lebach eingegangene Schreiben des Verurteilten als Antrag auf Absehen von der Vollstreckung nach § 87 Abs. 3 JGG und die Entscheidung des "Vollstreckungsleiters" vom 26. April 2017 als Antragsablehnung auszulegen seien und die sofortige Beschwerde daher gemäß § 83 Abs. 3 JGG statthaft sei.
Gegen diesen sowohl dem Verurteilten als auch seiner Verteidigerin formlos übersandten Beschluss hat die Verteidigerin mit Schriftsatz vom 1. Juni 2017 (Bl. 296 f. d. A.) - vorab per Telefax beim Landgericht eingegangen am selben Tag - sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
a) § 310 Abs. 2 StPO steht der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nicht entgegen.
aa) Zwar ist nach dieser - gemäß § 2 Abs. 2 JGG anwendbaren - Vorschrift gegen einen vom Landgericht "auf die Beschwerde hin" erlassenen Beschluss die weitere Beschwerde grundsätzlich nicht statthaft, es sei denn es liegt einer der in § 310 Abs. 1 StPO bestimmten Ausnahmefälle vor, was hier nicht der Fall ist. Voraussetzung für die Unzulässigkeit der weiteren Beschwerde ist jedoch, dass das zuständige Beschwerdegericht entschieden hat (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 03.08.2004 - 3 Ws 382/04, juris; OLG Celle VRS 123, 226, 227 m. w. N.; Löwe-Rosenberg/Matt, StPO, 26. Aufl., § 310 Rn. 9 m. w. N.; SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., § 310 Rn. 7 f.). Maßgebend ist insoweit die wahre Rechtslage (vgl. Matt, a. a. O.). Demgemäß ist die Entscheidung des Landgerichts auch dann anfechtbar, wenn sie in Wirklichkeit keine Beschwerdeentscheidung ist, weil es an einer Entscheidung des zuständigen Erstgerichts überhaupt fehlt (vgl. Frisch, a. a. O., Rn. 10).
bb) So verhält es sich hier. Es liegt keine Entscheidung des Vollstreckungsleiters nach § 83 Abs. 1 JGG vor, die gemäß § 83 Abs. 3 Satz 1 JGG mit der sofortigen Beschwerde hätte angefochtenen werden können.
aaa) Es fehlt schon an einer Entscheidung des Vollstreckungsleiters. Die Vollstreckung des Jugendarrests war von dem zunächst zuständigen Jugendrichter des Amtsgerichts Tiergarten an den Jugendrichter des Amtsgerichts Trier abgegeben worden, der folglich seither Vollstreckungsleiter ist. Dieser hat aber weder eine Entscheidung über den beantragten Vollstreckungsaufschub noch eine Entscheidung über ein Absehen von der Vollstreckung des verhängten Jugendarrests getroffen. Eine solche Entscheidung ist lediglich durch den Vollzugsleiter beim Amtsgericht Lebach am 26. April 2017 getroffen worden. An diesen war die Vollstreckung des Jugendarrests aber nicht gemäß § 85 Abs. 1, § 90 Abs. 2 Satz 2 JGG abgegeben worden...