Leitsatz (amtlich)
1. Eine Umgangsregelung ohne Übernachtung hält sich jedenfalls solange noch im Rahmen des durch § 1684 Abs. 1 BGB dem Richter eröffneten Ausgestaltungsspielraums - und ist daher keine Umgangseinschränkung i.S.d. § 1684 Abs. 4 BGB -, wie dadurch nicht aufgrund großer Entfernung zwischen den Wohnorten des Umgangsberechtigten und des Kindes eine faktische Umgangseinschränkung entsteht. Allerdings bedarf der Ausschluss von Übernachtungen auch bei geringer Distanz dieser Wohnorte besonderer Rechtfertigung, weil Übernachtungen des Kindes beim umgangsberechtigten Elternteil in der Regel dem Kindeswohl entsprechen.
2. Das bloße Alter eines Kindes ist kein maßgebliches Kriterium, das für die Frage der Anordnung von Übernachtungskontakten herangezogen werden kann.
3. Zu den Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung im Umgangsverfahren bei einem jeder Tatsachengrundlage entbehrenden Verdachtsvortrag eines Elternteils (hier: behaupteter Alkohol- und Drogenmissbrauch).
Verfahrensgang
AG Saarbrücken (Beschluss vom 15.10.2012; Aktenzeichen 129 F 79/11 UG) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amts-gerichts - Familiengericht - in Saarbrücken vom 15.10.2012 - 129 F 79/11 UG - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
3. Der Antragsgegnerin wird die von ihr für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.
Gründe
I. Durch den angefochtenen Beschluss vom 15.10.2012 hat das Familiengericht den Umgang des Antragstellers (im Folgenden: Vater) mit seinem am 29.8.2009 geborenen Sohn K. geregelt, für der er mit der Antragsgegnerin (Mutter) gemeinsam sorgeberechtigt ist. Das Familiengericht hat den Vater u.a. berechtigt und verpflichtet, mit K. - in den Monaten Dezember 2012 bis Februar 2013 in dreiwöchigem Rhythmus, ab dem Wochenende vom 9./10.3.2013 in zweiwöchigem Rhythmus - von Samstagmorgen auf Sonntagnachmittag bzw. -abend einschließlich Übernachtung Umgang zu pflegen. Wegen der Einzelheiten der sehr detaillierten Umgangsregelung und der Feststellungen des Familiengerichts wird auf das angegangene Erkenntnis Bezug genommen.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Mutter nur gegen die angeordneten Übernachtungen K. s beim Vater. Sie sucht ferner um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach. Der Vater bittet um Zurückweisung der Beschwerde. Der Verfahrensbeistand verteidigt den angegriffenen Beschluss. Das Jugendamt hat sich zweitinstanzlich nicht geäußert.
Dem Senat hat die Akte 129 F 31/12 SO des AG Saarbrücken vorgelegen. Das dort angeordnete schriftliche psychologische Sachverständigengutachten zur Frage der Aufrechterhaltung oder Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge der Eltern ist noch nicht erstellt.
II. Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter, durch die dem Senat der angefochtene Beschluss trotz des beschränkten Beschwerdeziels umfassend zur Überprüfung angefallen ist (dazu OLG Saarbrücken vom 24.1.2011 - 6 UF 126/10 -, FamRZ 2011, 826; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 5. Aufl., § 9 Rz. 5, jeweils m.w.N.), bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das Umgangsrecht eines Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Beide Rechtspositionen erwachsen aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und müssen von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, muss demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen. Das Umgangsrecht ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, haben die Gerichte eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1622; 2009, 399; OLG Saarbrücken vom 12.7.2010 - 6 UF 32/10 -, MDR 2011, 106, m.w.N.).
Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben werden durch § 1684 Abs. 1 BGB konkretisiert, demzufolge das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil hat und jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt ist. Im Rahmen einer gerichtlich festzulegenden Umgangsregelung ist nach § 1697a BGB diejenige Entscheidung zu treffen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligt...