Leitsatz (amtlich)
1. Das Vertretungsrecht nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB umfasst zwar nicht die Befugnis des Obhutselternteils, für sein Kind eine Vereinbarung über die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche zu schließen (Anschluss BGH, Beschluss vom 18. März 2020 - XII ZB 213/19, FamRZ 2020, 991). Der Obhutselternteil kann indessen nach späterer Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge den schwebend unwirksamen Rückübertragungsvertrag - ausdrücklich oder konkludent - nach § 177 BGB genehmigen.
2. Umzugskosten können als berufsbedingter Aufwand beachtlich sein, wenn sie dadurch veranlasst gewesen sind, dass der Unterhaltsverpflichtete eine recht weit von seinem bisherigen Arbeitsort entfernt liegende, neue Arbeitsstelle angetreten hat. Indessen müssen sie konkret nachgewiesen und steuerliche Vorteile angerechnet werden.
3. Die Anerkennung des Aufwandes für doppelte Haushaltsführung setzt voraus, dass sowohl deren Begründung als auch ihre Aufrechterhaltung notwendig ist.
4. Erhöhter Mietaufwand des Unterhaltsverpflichteten (hier: in Frankfurt) rechtfertigt keine Kürzung des unterhaltsrechtlichen Einkommens. Der Wohnkostenanteil, der in die Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle eingearbeitet ist, ist lediglich im Mangelfall von Bedeutung; ansonsten ist der Mietaufwand allgemeiner Lebensbedarf, den der Unterhaltspflichtige aus den ihm nach Unterhaltszahlung verbleibenden Einkünften zu bestreiten hat.
Die Rückzahlung eines BAFöG-Darlehens ist auch beim Kindesunterhalt berücksichtigungswürdig.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 11. September 2020 - 4 F 178/17 UK - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und der Antragsgegner unter Abweisung des weitergehenden Antrags verpflichtet, an den Antragsteller - zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin - Kindesunterhaltsrückstände für den Zeitraum März 2017 bis Februar 2021 von insgesamt 16.885 EUR sowie ab März 2021 monatlich im Voraus laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 136% des Mindestunterhalts der 2. Altersstufe gemäß § 1612 a BGB abzüglich des hälftigen Kindergelds für ein erstes Kind zu zahlen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten beider Rechtszüge.
3. Der Beschluss ist sofort wirksam.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten für den Zeitraum ab März 2017, ob und ggf. in welcher Höhe der Antragsgegner verpflichtet ist, dem Antragsteller Unterhalt zu leisten.
Der einkommens- und vermögenslose Antragsteller ging am 19. August 2014 aus der geschiedenen Ehe seiner gesetzlichen Vertreterin (fortan: Mutter) und des Antragsgegners hervor. Die Eltern des Antragstellers trennten sich Ende August 2016 voneinander und betreuten diesen zunächst im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells. Der Antragsgegner wurde arbeitslos, bis er zum 1. März 2017 eine neue Arbeitsstelle in F. fand, wohin er zeitgleich umzog und wo er seither in abhängiger Beschäftigung für verschiedene Arbeitgeber - unterbrochen durch eine Arbeitslosigkeit von 19. September bis 31. Dezember 2019 - tätig ist und zur Miete wohnt. Seit jenem Umzug lebt der Antragsteller bei der Mutter, der durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 9. August 2017 die Alleinsorge für diesen übertragen wurde.
Der Antragsteller bezieht seit März 2017 Leistungen nach dem UVG. Der Antragsgegner wurde vom Anspruchsübergang in Höhe der erbrachten UVG-Leistungen auf das Saarland - und der fehlenden Befreiungswirkung von Zahlungen an den Antragsteller in dieser Höhe - mit Schreiben des Saarpfalz-Kreises vom 23. März 2017 unterrichtet. Mit weiterem Schreiben vom 30. März 2017 begehrte der Saarpfalz-Kreis vom Antragsgegner Auskunft über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Mit Rückübertragungsvertrag vom 24. Mai 2017, den die Mutter in gesetzlicher Vertretung des Antragstellers mit dem Saarland, dieses vertreten durch den Saarpfalz-Kreis, abschloss, übertrug das Saarland die auf es übergegangenen und noch übergehenden Unterhaltsansprüche des Antragstellers gegen den Antragsgegner auf den Antragsteller zurück.
Nachdem die Mutter mit dem Antragsteller zum 1. April 2018 nach E. umgezogen war, teilte der Landkreis Neunkirchen dem Antragsgegner für das Saarland unter dem 23. April 2018 den (weiteren) Bezug von UVG-Leistungen durch den Antragsteller - und erneut die fehlende Befreiungswirkung von Zahlungen an den Antragsteller in dieser Höhe - mit. Mit weiterem Schreiben vom 11. Dezember 2018 wies der Landkreis für das Saarland auf die Anhebung der Unterhaltsvorschussbeträge hin.
Parallel bekämpfte der Antragsgegner seine Auskunftsverpflichtung gegenüber dem Saarland ausweislich des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 18. April 2019 - 3 K 259/18 - vergebens.
Nach vorgerichtlicher Aufforderung vom 21. März 2017 hat der Antragsteller den Antragsgegner mit am 27. September 2017 zugestelltem Stufenantrag zuletzt auf Zahlung von Kindesunterhaltsrückständen von insgesamt 12.758 EUR fü...