Leitsatz (amtlich)

Erklärt der unter Einräumung einer angemessenen Prüfungsfrist zur Abgabe eines titelersetzenden Anerkenntnisses aufgeforderte Haftpflichtversicherer insoweit lediglich (formularmäßig), Einwendungen zum Haftungsgrund würden nicht erhoben, kann er damit grundsätzlich Veranlassung zur nachfolgenden Feststellungsklage des Geschädigten geben, mit der Folge, dass im Fall des prozessualen Anerkenntnisses § 93 ZPO zugunsten des Versicherers nicht eingreift.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 10.03.2014; Aktenzeichen 15 O 337/13)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird das Anerkenntnisurteil des LG Saarbrücken vom 10.3.2014 (Aktenzeichen 15 O 337/13) im Kostenpunkt abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.746,31 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall am 23.7.2013 gegen 6 Uhr 40 zwischen Sch. und B. schwere Verletzungen. Der Unfall war (allein) durch einen bei dem beklagten Versicherer gegen Haftpflicht versicherten Pkw verursacht worden. Mit Anwaltsschreiben vom 9.8.2013 forderte der Kläger die Beklagte u.a. auf, innerhalb von 14 Tagen ab Datum dieses Schreibens ihre vollumfängliche Einstandspflicht für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden und Zukunftsschäden des Klägers, die dieser infolge des Verkehrsunfalls erlitten hat und noch erleiden wird, ausgenommen bloß solche Ansprüche, die auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind, schriftlich anzuerkennen. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 13.8.2013, Einwendungen zum Haftungsgrund würden nicht erhoben.

Der Kläger hat am 2.12.2013 Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten beim LG Saarbrücken eingereicht und behauptet, der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 4.9.2013 - dessen Zugang die Beklagte in Abrede gestellt hat - mitgeteilt zu haben, die Formulierung im Schreiben der Beklagten vom 13.8.2013 genüge nicht im Ansatz der im Anwaltsschreiben vom 9.8.2013 geforderten Erklärung; der Beklagten sei insoweit eine Nachfrist von 14 Tagen gewährt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen (Bl. 1 ff. d.A.). Das LG hat mit Verfügung vom 23.12.2013 (Bl. 26 d.A.) das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Nach Zustellung der Klage am 9.1.2014 (Bl. 27 d.A. Rücks.) hat die Beklagte mit am 22.1.2014 bei Gericht eingegangenem Telefax ihre Verteidigungsabsicht angezeigt und Antrag und Gründe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten (Bl. 28 d.A.). Mit Telefax vom 4.2.2014 hat sie die Klageforderung unter Verwahrung gegen die Kosten anerkannt (Bl. 30 d.A.). Gegen das daraufhin ergangene Anerkenntnisurteil des LG Saarbrücken vom 10.3.2014 (Aktenzeichen 15 O 337/13), der klagenden Partei zugestellt am 14.3.2014 (Bl. 44 d.A.), in dem die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt worden sind und auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 39 ff. d.A.), richtet sich die am 25.3.2014 beim LG eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers (Bl. 45 ff. d.A.), der das Erstgericht durch Beschluss vom 11.4.2014 (Bl. 52 d.A. Rücks.) nicht abgeholfen hat.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach §§ 99 Abs. 2 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 ZPO). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen erstinstanzlichen Kostenentscheidung dahin, dass die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO von der Beklagten zu tragen sind.

1. Entgegen der Auffassung des LG greift § 93 ZPO vorliegend nicht ein. Nach dieser Vorschrift, die auch auf eine Feststellungsklage i.S.d. § 256 ZPO anzuwenden ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 93 Rz. 13), fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. Diese Voraussetzungen für die Anwendung des § 93 ZPO müssen kumulativ gegeben sein (OLG Köln OLGReport Köln 2006, 485, 486; Hk-ZPO/Gierl, 5. Aufl., § 93 Rz. 7). Demgemäß kommt im Streitfall eine Abwälzung der Kosten auf den Kläger nicht in Betracht, weil nicht festzustellen ist, dass die Beklagte durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat.

a) § 93 ZPO, der als Ausnahmevorschrift von der Grundregel des § 91 ZPO abweicht, wonach den unterliegenden Teil die Kostenlast trifft, stellt aus Gründen der Kostengerechtigkeit und der Prozesswirtschaftlichkeit darauf ab, ob ein Rechtsstreit überhaupt notwendig war. Für die Frage der Kostentragung kommt es demnach darauf an, ob der unterlegene Beklagte, der den gerichtlich geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt, durch sein vorprozessuales Verhal...

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