Leitsatz (amtlich)
Zur Folgenabwägung bei einem Antrag des Vaters auf einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach der Übergangsregelung des BVerfG zu § 1672 BGB bei weitem Wegzug der Mutter.
Verfahrensgang
AG St. Ingbert (Beschluss vom 26.11.2012; Aktenzeichen 12 F 84/12 EASO) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in St. Ingbert vom 26.11.2012 - 12 F 84/12 EASO - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
3. Dem Antragsteller wird die von ihm für den zweiten Rechtszug nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.
4. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 1.2.2013 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin S.-K. M., bewilligt.
Gründe
Aus der Verbindung des türkischen Antragstellers (im Folgenden: Vater) und der deutschen Antragsgegnerin (im Weiteren: Mutter), die nicht miteinander verheiratet waren oder sind, gingen die beiden verfahrensbeteiligten Kinder M., geboren am 20.7.2009, und M., geboren am 27.9.2011, hervor. Der Vater erkannte die Vaterschaft für beide Kinder an; Sorgeerklärungen gaben die Eltern nicht ab.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 26.11.2012, auf den - auch wegen der Feststellungen und der Verfahrensgeschichte - Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den am 17.7.2012 eingereichten Eilantrag des Vaters, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder zu übertragen, zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde, mit der der Vater sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt und um deren Zurückweisung die Mutter bittet, ist nach §§ 57 S. 2 Nr. 1, 58 ff. FamFG zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Zutreffend hat das Familiengericht - stillschweigend - seine internationale Zuständigkeit angenommen und seine Entscheidung deutschem Sachrecht unterworfen.
Die Entscheidung des Familiengerichts, es bei dem der Mutter auf dem Boden von § 1626a Abs. 2 BGB zustehenden alleinigen Sorgerecht zu belassen, beruht auf einem beanstandungsfreien Verfahren und ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Allerdings hat das Familiengericht seine Entscheidung nicht am richtigen Maßstab ausgerichtet. Denn es hat den Antrag des Vaters nur darauf geprüft, ob ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht nach § 1666 BGB wegen Kindeswohlgefährdung zu übertragen sei oder ob ihm das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Mutter gemäß "der Rechtsprechung des BVerfG in entsprechender Anwendung des § 1672 BGB" zugewiesen werden könne. Dies greift von Rechts wegen - was der Senat auch in Abwesenheit einer dahingehenden Rüge des Vaters zu prüfen hat - zu kurz. Denn der vom BVerfG erlassenen Übergangsregelung zufolge ist § 1672 BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge überträgt, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht (BVerfG FamRZ 2010, 1403, Ziff. 3. der Entscheidungsformel und Rz. 76 der Gründe; dazu eingehend Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 5. Aufl., § 1 Rz. 28 f.).
Auch an dieser Übergangsanordnung gemessen hält das angegriffene Erkenntnis den Beschwerdeangriffen des Vaters indes stand. Es entspricht dem Wohle beider Kinder einstweilen besser, wenn die Mutter weiterhin über ihren Aufenthalt bestimmt.
Soweit der Vater rügt, die Mutter verhindere telefonische und persönliche Umgangskontakte mit den Kindern, greift dies jedenfalls aktuell nicht mehr durch; der Vater hat mit Schriftsatz vom 21.2.2013 selbst eingeräumt, dass er die Kinder anlässlich seines Besuchs in Niedersachsen zu Umgangszwecken habe mitnehmen können und diese über Nacht bei ihm geblieben seien, und dass Telefonkontakte "selbstverständlich daran [scheitern], dass - zumindest das jüngste Kind [...] - erst 1 ½ Jahre als ist und kaum in der Lage ist, mit seinem Vater am Telefon zu sprechen".
Entgegen der Darstellung des Vaters werden weitere Umgangskontakte auch nicht an seinen fehlenden finanziellen Mitteln scheitern, da - worauf bereits das Familiengericht im Termin vom 28.8.2012 zutreffend hingewiesen hat - diese Aufwendungen Teil des notwendigen Lebensunterhalts und daher sozialhilferechtlich anerkennungsfähiger Bedarf wären (Völker/Clausius, a.a.O., § 2 Rz. 100 m.w.N.), zumal der Vater mit Schriftsatz vom 21.2.2013 angegeben hat, ab 1.3.2013 eine neue Arbeitsstelle zu haben.
Dass die Mutter anlässlich ihrer Trennung vom Vater die Kinder in ihre weit entfernte Heimatstadt mit zurückgenommen hat, in der die Familie bereits von November 2009 bis zu ihrem Umzug nach St. Ingbert im August 2011 gelebt hatte, stellt sich - anders als bei gemeinsam aufenthaltsbestimmungsberechtigten Eltern - als grundsätzlich rechtmäßige Ausübung des alleinigen Sorgerechts der Mutter dar (dazu BGH FamRZ 2010, 1060 m. Anm. Völker)...