Leitsatz (amtlich)
Ein Verlust des Ablehnungsrechts tritt ein, wenn sich die Partei in Kenntnis der Umstände, mit denen nun mehr eine Befangenheit des Richters begründet wird, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Muss die Partei damit rechnen, dass ein in einem früheren Verfahren tätig gewordener Richter, den sie für befangen hält, auch nunmehr für das Verfahren zuständig ist, und lässt sie sich ohne Klärung des nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Verfahren zuständigen Richters in die Verhandlung ein oder stellt sie Anträge, muss sie sich so behandeln lassen, als ob sie Kenntnis von der Person des zuständigen Richters hat.
Verfahrensgang
AG St. Wendel (Beschluss vom 05.06.2009; Aktenzeichen 16 F 106/09 SO) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - St. Wendel vom 5.6.2009 - 16 F 106/09 SO - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den übrigen Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Beschwerdewert: 3.000 EUR.
Gründe
I. Das am. Februar 1995 geborene Kind L. ist die Tochter des Antragsgegners und der am 19.10.2005 verstorbenen Kindesmutter. Nach dem Tod der Kindesmutter verblieben L. und ihre am. August 1992 geborene Schwester A. zunächst in der Obhut des Antragsgegners. Während dieser Zeit wurden die Versorgungs - und Betreuungsleistungen für L. und A. auch von der Großmutter mütterlicherseits erbracht. Eine weitere Schwester von L., die am. März 1986 geborene J., führt einen eigenen Haushalt in [Ort].
Nachdem das Kind A. nach Auseinandersetzungen mit dem Antragsgegner am 21.6.2006 seitens des Beteiligten zu 2., dem in dem Verfahren 16 F 203/06 SO des AG - Familiengericht - St. Wendel das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden war (Bl. 25 BA), auf eigenen Wunsch aus der Obhut des Antragsgegners herausgenommen und in einer Pflegefamilie untergebracht worden war, wechselte L. in den Haushalt ihrer Großmutter mütterlicherseits, bei der sie seither lebt. Zusätzliche Unterstützung, insbesondere in schulischen Belangen, erfährt sie durch ihre Schwester J..
Das Kreisjugendamt erstrebt mit dem vorliegenden, von ihm eingeleiteten Verfahren auch für L. die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und weiterer Teilbereiche des Sorgerechts (Bl. 1 d.A.). Es hat dies damit begründet, dass die Großmutter mütterlicherseits in Folge großer gesundheitlicher Probleme für die Versorgung und Betreuung L. nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehe. Demgegenüber habe sich der Antragsgegner völlig aus der Erziehungs- und Versorgungsverantwortung zurückgezogen. L. sehe den Antragsgegner nur selten, sie beklage, dass ein normales Gespräch mit dem Antragsgegner nicht zu führen sei. In diesem Umfeld halte es das Kind nicht mehr aus. Der Antragsgegner verweigere sich Gesprächen, Termine zur Absprache von Hilfestellungen habe dieser nicht wahrgenommen.
Der Antragsgegner ist dem Begehren mit Schreiben vom 6.4.2009 vollumfänglich entgegengetreten (Bl. 3 ff. d.A.). Hinsichtlich des von ihm gestellten Antrages auf Akteneinsicht in die kompletten Akten des Jugendamtes hat das Familiengericht mit prozessleitender Verfügung vom 15.4.2009 darauf hingewiesen, dass es nicht befugt sei, Akteneinsicht in die Akten des Kreisjugendamtes zu gewähren. Ferner hat es Termin zur Anhörung des betroffenen Kindes und des Antragsgegners auf den 30.4.2009 bestimmt (Bl. 5 RS d.A.).
Mit am 29.4.2009 eingegangenem Schreiben vom 28.4.2009 hat der Antragsgegner, der ausweislich eines Aktenvermerks des Familiengerichts vom 29.4.2009 persönlich vorgesprochen hatte (Bl. 6 RS d.A.), den Richter am AG Ad ... wegen Verdachts auf Befangenheit abgelehnt (Bl. 6 d.A.). Zur Begründung hat er in seinem am 14.5.2009 eingegangenen Schreiben vom 12.5.2009 im Wesentlichen darauf verwiesen, aus dem Vorverfahren betreffend die Tochter A. habe er aus einem unfreiwillig mitgehörten Gespräch zwischen Mitarbeitern des Jugendamtes den Eindruck gewonnen, dass der Richter nicht unabhängig entscheide, sondern kritiklos der Auffassung des Jugendamtes folge. Seine Voreingenommenheit ihm gegenüber habe sich auch darin gezeigt, dass der Richter ihn in jener Gerichtsverhandlung nicht habe ausreden lassen, ihm ins Wort gefallen sei und seinen Vortrag völlig falsch interpretiert habe. Auch habe er in jenem Verfahren bei der Anhörung der Tochter A. nicht zugegen sein dürfen. Der Sachverhalt sei dort nicht hinreichend aufgeklärt worden und er habe die Befürchtung, dass auch im vorliegenden Verfahren - wie zuvor im Verfahren betreffend A. - "kurzer Prozess" gemacht werde. Ferner rügt er, dass die von dem Richter gesetzte Frist zur Begründung des Befangenheitsantrages (2 Tage) zu kurz gewesen sei, hierzu sei der Richter auch nicht mehr befugt gewesen. Auch sei ihm keine Akteneinsicht gewährt worden, obwohl er diesen Antrag bereits am 6.4.2009 gestellt habe. Der abgelehnte Richter ignoriere - wie bereits in dem Verfahren betreffend A. - sein Vorbringen und habe weder eine Stel...