Leitsatz (amtlich)
Die Möglichkeiten zum Gebrauch ist der geschützten Rechtsposition "Besitz" i.S.d. §§ 854 ff. BGB immanent. Als eine Besitzstörung ist deshalb jede Beeinträchtigung anzusehen, durch die dem Besitzer Ausschnitte aus den Gebrauchs- und Nutzungsmöglichkeiten genommen werden, die ihm der Besitz der Sache gewährt. Dementsprechend kann durch die unterlassene Belieferung einer Mietwohnung mit Versorgungsleistungen einer Besitzstörung eintreten.
Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB ist eine Einrede, aus der sich die Gestattung, in ein possessorisches Recht einzugreifen, nicht herleiten lässt.
Anders als einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die ein säumiges Mitglied von der weiteren Belieferung mit Energie ausschließen kann, steht einem Vermieter das Recht auf Unterbrechung der Versorgungsleistungen nicht zu.
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.200 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) hatte von der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) Gewerberäume in S. zum Betrieb der Gaststätte "..." gemietet. Er hatte an die Beklagte einen monatlichen Mietzins zu zahlen, in dem u.a. die Kosten für Wasserversorgung und Kanalgebühren enthalten waren. Die Beklagte hatte hierfür ggü. dem Versorgungsunternehmen monatlich ca. 100 EUR zu entrichten.
Mit der Begründung, der Kläger habe in den Jahren 2002 bis 2004 die vereinbarte Miete nur teilweise gezahlt und im Jahr 2005 überhaupt keine Mietzahlungen mehr geleistet, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 23.2.2005 das Mietverhältnis fristlos und forderte den Kläger erfolglos zur Räumung bis spätestens 5.3.2005 auf (Bl. 45). Mit Schreiben vom 24.3.2005 kündigte sie an, von ihrem Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Wasserversorgung Gebrauch machen zu wollen und die Wasserzufuhr zu unterbrechen, sofern der Kläger nicht die aufgelaufenen Zahlungsrückstände begleiche (Bl. 6 f.). In der Folgezeit wurde die Wasserversorgung der Gaststätte mehrfach unterbrochen, indem auf Veranlassung der Beklagten Rohre oder Leitungen durchtrennt wurden.
Das LG hat auf Antrag des Klägers am 12.4.2005 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der es der Beklagten untersagt hat, die Wasserzuleitung zu beeinträchtigen, und ihr aufgegeben hat, die genannten Wasserzuleitungen sofort wieder herzustellen. Die Beklagte hat dagegen Widerspruch eingelegt. Sie hat behauptet, die Zahlungsrückstände des Klägers hätten sich per Februar 2005 auf 21.988,60 EUR belaufen, so dass ihr ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden habe. Sie sei daher berechtigt gewesen, die Wasserzufuhr zu sperren. Eine verbotene Eigenmacht sei darin nicht zu sehen.
Nachdem der Kläger inzwischen die Schlüssel der Gaststätte an die Beklagte zurückgegeben hat und das Lokal nicht mehr betreibt, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt. Das LG hat die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Dagegen richtet sich deren sofortige Beschwerde.
II. Die gem. § 91a Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des LG, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, berücksichtigt den (maßgeblichen) bisherigen Sach- und Streitstand und entspricht billigem Ermessen. Wäre es nicht zu der Erledigung des Rechtsstreits gekommen, wäre die einstweilige Verfügung zu bestätigen gewesen (§ 91a Abs. 1 ZPO).
Es kann offen bleiben, ob die (darlegungs- und beweispflichtige) Beklagte die Voraussetzungen einer wirksamen fristlosen Kündigung hinreichend glaubhaft gemacht hat, dem Kläger also ein vertraglicher Anspruch auf Weiterbelieferung mit Wasser nicht mehr zustand. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob die Beklagte nicht verpflichtet war, im Rahmen eines nach fristloser Kündigung zwischen den Parteien bestehenden Abwicklungsverhältnisses die Versorgung mit Wasser aufrecht zu erhalten (vgl. dazu Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., V. A Rz. 85; Bub/Treier/Krämer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III B Rz. 1220; Schmidt-Futterer/Gather, Mietrecht, 8. Aufl., § 546a Rz. 47). Denn der Anspruch des Klägers beruhte jedenfalls auf §§ 868, 869, 862 Abs. 1 BGB:
Der Kläger war gem. § 854 Abs. 1 BGB unmittelbarer Besitzer der Gaststättenräume. Durch ihr Verhalten hat die Beklagte als mittelbare Besitzerin den Besitz des Klägers durch verbotene Eigenmacht gestört; weitere Störungen waren - was nicht streitig ist - zu besorgen.
1. Eine Besitzstörung i.S.d. §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB lag vor. Um festzustellen, ob eine Besitzstörung im Sinne der genannten Vorschriften gegeben ist, hilft allerdings die gängige Definition, der zufolge eine Besitzbeeinträchtigung immer dann vorliegt, wenn ein rechtlich befriedeter Zustand in einen solchen der R...