Leitsatz (amtlich)

Die Einräumung einer Frist von einer Woche zur Benennung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 5 Satz 1 StPO ist in der Regel geboten, aber auch im Sinne des § 143a Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StPO nicht (zu) kurz.

 

Normenkette

StPO §§ 44, 140 Abs. 5 S. 1, § 143a Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Entscheidung vom 25.08.2021; Aktenzeichen I StVK 870/21)

 

Tenor

1. Dem Untergebrachten wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer I des Landgerichts Saarbrücken vom 25.08.2021 gewährt.

2. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den genannten Beschluss wird als unbegründet v e r w o r f e n.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer I des Landgerichts Saarbrücken dem Untergebrachten für das Prüfungsverfahren nach § 67e StGB Rechtsanwalt R. aus Saarbrücken - wie bereits in vorangegangenen Prüfungsverfahren geschehen - analog § 140 Abs. 2 StPO beigeordnet. Zuvor hat er dem Untergebrachten mit Schreiben vom 16.08.2021 - dem Untergebrachten zugestellt am 20.08.2021 - Gelegenheit zur Benennung eines Verteidigers "binnen einer Woche" gegeben. Mit Schreiben vom 23.08.2021 - beim Landgericht eingegangen am 06.09.2021, also nach der Beschlussfassung - teilte der Verurteilte mit, er wolle weiterhin von Rechtsanwalt R. verteidigt werden. Mit weiterem, auf den 26.08.2021 datiertem Schreiben, beim Landgericht eingegangen am 17.09.2021, legte der Untergebrachte gegen den ihm am 30.08.2021 zugestellten Beschluss vom 25.08.2021 sofortige Beschwerde ein, wies zugleich darauf hin, dass er "eine Postkontrolle habe" und seine Post zunächst an seinen Betreuer gehe, weshalb er die Frist von einer Woche nicht werde einhalten können, und bat darum, ihm Rechtsanwältin W. beizuordnen. Rechtsanwalt R. sei nicht mehr sein Anwalt.

Bereits zuvor hatte sich Rechtsanwältin W. mit Schriftsatz vom 09.09.2021 für den Untergebrachten bestellt und ihre Beiordnung unter Entpflichtung von Rechtsanwalt R. beantragt. Zu diesem bestehe seitens des Untergebrachten kein Vertrauen mehr, seit er sich im letzten Anhörungstermin wegen Urlaubs durch Rechtsanwalt T. habe vertreten lassen. Über diesen Antrag ist noch nicht entschieden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, dem Untergebrachten Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren und die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Dem Verurteilten war auf seinen Antrag - einen solchen erblickt der Senat in dem im Beschwerdeschrieben enthaltenen Hinweis darauf, dass er wegen der Kontrolle seiner Post die Rechtsmittelfrist von einer Woche wohl nicht werde einhalten können - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 311 Abs. 2 StPO) gem. § 44 Satz 1 StPO zu gewähren, weil er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war, was sich aus dem bei der Akte befindlichen Schreiben der saarländischen Klinik für Forensische Psychiatrie vom 11.10.2021 (Bl,. 1231 d.A.), in dem der diesbezügliche Vortrag des Untergebrachten bestätigt wird, ergibt.

2. Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die sofortige Beschwerde vorliegend nicht gem. § 142 Abs. 7 Satz 2 StPO ausgeschlossen, weil der Untergebrachte einen Antrag nach 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StPO stellen könnte.

Nach der letztgenannten Vorschrift ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers - durch das mit der Sache befasste Gericht bzw. dessen Vorsitzenden - aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger dann zu bestellen, wenn dem Beschuldigten ein anderer als der von ihm benannte Verteidiger beigeordnet wurde oder ihm zur Auswahl des Verteidigers nur eine kurze Frist gesetzt wurde, er innerhalb von drei Wochen seit der Bekanntmachung der Beiordnung einen entsprechenden Antrag stellt und dem kein wichtiger Grund entgegensteht. Dabei steht dem Setzen einer kurzen Frist der Fall gleich, dass dem Beschuldigten überhaupt keine Gelegenheit zur Benennung eines zu bestellenden Verteidigers gegeben wurde (Senatsbeschluss vom 8. Juli 2021 - 4 Ws 97/21 - juris; Krawczyk, in: BeckOK StPO, 39. Edition, Stand: 01.01.2021, Rn. 10, 11 m.w.N.). Kann der Beschuldigte einen solchen Antrag stellen, ist in § 142 Abs. 7 Satz 2 der Ausschluss der sofortigen Beschwerde bestimmt.

Ein solcher Fall liegt hier ungeachtet des Umstandes, dass der Untergebrachte in der Sache einen Verteidigerwechsel erstrebt, allerdings nicht vor, weil ihm der von ihm - zunächst - benannte Verteidiger beigeordnet wurde und die ihm zur Auswahl eines Verteidigers gesetzte Frist von einer Woche nicht als (zu) kurz im Sinne der Vorschrift anzusehen ist. Der Senat hält dafür, dass eine Ü...

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