Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswirkungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 für das nationale Abschiebungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Ausländer in einem anderen Mitgliedsstaat einen Asylantrag gestellt, so trifft die Behörden des Aufenthaltesstaates ein Beschleunigungsgebot, das die Anordnung und Aufrechterhaltung von Zurückschiebungshaft begrenzt.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 03.12.2008; Aktenzeichen 5 T 447/08) |
AG Saarbrücken (Aktenzeichen 7 XIV 78/07) |
Tenor
Die weitere sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 24.12.2008 gegen den Beschluss des LG Saarbrücken vom 3.12.2008 (5 T 447/08) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Betroffene, eine chinesische Staatsangehörige, gelangte mit Hilfe eines Schleusers mit dem Flugzeug von Shanghai nach Tschechien, wo sie am 27./28.10.2007 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Danach reiste sie - wieder mit Hilfe eines Schleusers - über die deutsch-tschechische Grenze nach Deutschland ein. Am 6.12.2007 wurde sie, ohne im Besitz eines Passes/Passersatzes oder gültigen Visums oder sonstiger Aufenthaltstitel zu sein, bei dem Versuch, von Deutschland aus nach Frankreich auszureisen, von den französischen Grenzbehörden aufgegriffen und der Bundespolizei übergeben. Auf Antrag des Bundespolizeiamts, Bundespolizeiinspektion Saarbrücken (Bl. 1 ff. d.A.), ordnete das AG Saarbrücken zur Sicherung der Zurückschiebung der Betroffenen nach Tschechien mit Beschluss vom 6.12.2007 unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung Zurückschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten bis zum 5.3.2008 an.
Gegen den Beschluss des AG legte die Betroffene mit Faxschreiben vom 20.12.2007 sofortige Beschwerde ein (Bl. 15 ff. d.A.), weil nicht beachtet worden sei, dass es sich um ein Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 handele. Die nach Art. 20 Abs. 1, b EG-AsylZustVO von dem Mitgliedsstaat, in dem bereits ein Asylantrag gestellt worden sei, zu beachtende Frist von zwei Wochen zur Erklärung der Wiederaufnahme des Asylbewerbers stehe der angeordneten Haftdauer von drei Monaten entgegen, da sie in Tschechien bereits einen Asylantrag gestellt habe. Mit einer Rückführung nach Tschechien erkläre sie sich einverstanden. Sie wurde am 23.1.2008 nach Tschechien zurückgeführt. Mit Schriftsatz vom 5.2.2008 (Bl. 28 d.A.) beantragte sie, festzustellen, dass die über den 21.12.2007 hinaus angeordnete Abschiebungshaft rechtswidrig gewesen sei. Aufgrund des Asylantrages in der Tschechischen Republik habe eine Rückübernahmeverpflichtung der dortigen Behörden bestanden und seien diese zur Beachtung der Zweiwochenfrist des Art. 20 Abs. 1b der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 verpflichtet gewesen.
Das LG wies mit Beschluss vom 18.4.2008 (Bl. 52 ff. d.A.) die sofortige Beschwerde und den Prozesskostenhilfeantrag der Betroffenen zurück. Hiergegen legte die Betroffene weitere sofortige Beschwerde ein und verwies nochmals darauf, dass im Hinblick auf einen in Tschechien gestellten Asylantrag § 14 Abs. 3 AsylVfG einer Abschiebungshaft entgegen gestanden habe. Der Senat hob mit Beschluss vom 26.8.2008 (5 W 130/08, Bl. 89 d.A.) den Beschluss des LG vom 18.4.2008 auf. Zur Begründung hat er - im Anschluss an die Entscheidung des OLG Celle vom 6.2.2008 (InfAuslR 2008, 225) - ausgeführt, dass die für den Fall der Asylantragstellung in Deutschland geltende Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG (im Umkehrschluss) auch für Erstasylanträge innerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II) Anwendung finde, wenn aufgrund dieser Regelung eine Zuständigkeit deutscher Behörden für die Bearbeitung des Asylverfahrens begründet sei. Darüber hinaus hat er für richtig gehalten, den Rechtsgedanken des § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVerfG auf Erstasylanträge innerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anzuwenden, wenn aufgrund der Verordnung die Zuständigkeit eines sonstigen Mitgliedsstaates für die Bearbeitung des Asylverfahrens bestehe.
Da das LG auf den Vortrag der Betroffenen, bereits in Tschechien einen Asylantrag gestellt zu haben (Bl. 15, 29 d.A.), nicht eingegangen war, hat der Senat die Sache zurückverwiesen, um dem LG Gegebenheit zu geben, mittels Beiziehung der Ausländerakte aufzuklären, ob die Betroffene tatsächlich in Tschechien einen Erstasylantrag gestellt hat, der zu einer Unzulässigkeit der Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft geführt haben könnte.
Das LG hat sodann einen Ausdruck der elektronisch geführten deutschen Ausländerakten beigezogen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat die Bundespolizeidirektion St. Augustin eine Stellungnahme des Gemeinsamen Zentrums der Deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit vom 20.10.2008 übersandt. Aus dieser ist ersichtlich, dass die Betroffene - deren Geburtsdatum dort mit dem 10.3.1989 angegeben ist - am 1.11.2007 unter dem Namen H. S. einen Asylantrag in Tschechien gestellt hatte (Bl. 138 d.A.).
Das LG hat mit Beschluss vom 3.12.2008 (5 T 447/08...