Leitsatz (amtlich)

1. Der wesentliche Inhalt der Kindesanhörung kann - außer in der Sitzungsniederschrift oder einem gesonderten Aktenvermerk - auch im tatbestandlichen Teil der die Instanz abschließenden Entscheidung wiedergegeben werden. Dann muss das Anhörungsergebnis aber vollständig, im Zusammenhang und frei von Wertungen des Gerichts dargestellt werden.

2. Nur auf einen dahingehenden Willen zweier 14 bzw. 15 Jahre alten Kinder kann ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu Lasten des für sie sorgeberechtigten Elternteils oder der Erlass einer Verbleibensanordnung zugunsten ihrer Großeltern nicht gegründet werden. Vielmehr bedarf es hierfür der Feststellung, dass das Kindeswohl allein dadurch bereits nachhaltig gefährdet wäre, wenn man dem Kindeswillen nicht nachgäbe. Davon kann in Abwesenheit belastbarer Anhaltspunkte jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der sorgeberechtigte Elternteil sich zwischenzeitlich von seinem Lebensgefährten getrennt hat, mit dem die Kinder nicht ausgekommen waren, die Kinder ein gutes und entspanntes Verhältnis zu dem ihnen vertrauten sorgeberechtigten Elternteil haben, bei dem sie bis zu ihrem 13. bzw. 14. Lebensjahr aufgewachsen sind, den sie regelmäßig besuchen und bei dem sie auch gelegentlich übernachten.

 

Verfahrensgang

AG Merzig (Beschluss vom 27.12.2011; Aktenzeichen 30 F 138/11 SO)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird in Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - in Merzig vom 27.12.2011 - 30 F 138/11 SO - festgestellt, dass weder die Voraussetzungen für Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB, die mit einem auch nur teilweisen Entzug des Sorgerechts und einer Trennung der betroffenen Kinder von der Antragsgegnerin verbunden sind, noch die Erfordernisse für den Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB vorliegen, mit der Folge, dass es uneingeschränkt bei der alleinigen elterlichen Sorge der Antragsgegnerin verbleibt.

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, außergericht-liche Kosten des zweiten Rechtszuges werden nicht erstattet. Für die erste Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung des Familiengerichts.

 

Gründe

I. Die beiden betroffenen Kinder M. und C., gingen aus der am XX. XX. XXXX geschlossenen Ehe ihres - am 30.11.2010 nach Anfang September 2010 festgestellter Erkrankung verstorbenen - Vaters und der ab dann alleinsorgeberechtigt gewesenen Antragsgegnerin (im Folgenden: Mutter), beide Deutsche, hervor. Die Eltern hatten schon über ein Jahr vor dem Tod des Vaters - allerdings weiterhin im gemeinsamen Haus - getrennt voneinander gelebt. Die Mutter nahm Mitte XXXX eine Beziehung zu dem in den neuen Bundesländern wohnenden Herrn K. auf. Dieser pflegte die Beziehung mit der Mutter nach dem Tod des Vaters auch in ihrer Wohnung. Beide trennten sich Anfang Oktober XXXX.

Aufgrund von Streitigkeiten der Töchter untereinander, die beide auch mit Herrn K. nicht zurechtkamen, und Schwierigkeiten der nicht berufstätigen Mutter mit beiden brachte diese - aus ihrer Sicht vorübergehend - beide Kinder unter Mitwirkung des Jugendamts bei den Eltern der Mutter - dem Antragsteller (im Folgenden: Großvater) und dessen Ehefrau (Großmutter) - unter. Dort leben die heute 15-jährige M. seit Februar XXXX und die jetzt 14-jährige C. ganz überwiegend seit Juli XXXX und dauerhaft seit Oktober XXXX Der Großvater ist als Lkw-Fahrer berufstätig, die Großmutter arbeitet als Servicekraft im Schichtdienst.

Im vorliegenden Verfahren hat der Großvater am XX. XX. XXXX beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder zu übertragen, weil aus seiner Sicht ein Umzug der Mutter in die neuen Bundesländer zu Herrn K. in Rede stehe. Zuletzt hat er übereinstimmend mit dem Jugendamt angeregt, eine Ergänzungspflegschaft einzurichten und im Rahmen dessen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder auf das Jugendamt zu übertragen.

Die Mutter ist dem Antrag entgegengetreten.

Nach Bestellung eines Verfahrensbeistandes für beide Kinder und persönlicher Anhörung sowohl dieser als auch der Mutter, des Großvaters und der Sachbearbeiterin des Jugendamts hat das Familiengericht durch den angefochtenen Beschluss vom 27.12.2011, auf den Bezug genommen wird, den verfahrenseinleitenden Antrag des Großvaters zurückgewiesen, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder entzogen, Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Jugendamt des Landkreises pp. zum Ergänzungspfleger bestimmt.

Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Mutter die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit ihr darin das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen, Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Jugendamt als Ergänzungspfleger bestimmt worden ist.

Der Großvater bittet um Zurückweisung der Beschwerde. Der Verfahrensbeistand und das Jugendamt bitten zu entscheiden wie rechtens.

Der Senat hat im Senatstermin M. und C., die Mutter, den Großvater, den Verfahrensbeistand der Kinder und die Vertreterin des Kreisjugendamts pp. persönlich angehört und die Akten 9 F 158/10 ...

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