Leitsatz (amtlich)
Zu den - hier verneinten - Ansprüchen des Nutzers eines sozialen Netzwerks bei Veröffentlichung seiner Nutzerdaten nach einem "Scraping-Vorfall".
Normenkette
EUV 2016/679 Art. 82
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 20.06.2023; Aktenzeichen 4 O 197/22) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 20. Juni 2023 - 4 O 197/22 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und ebenso - in Abänderung der landgerichtlichen Wertfestsetzung im Beschluss vom 28. Juni 2023 - für das erstinstanzliche Verfahren auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand der Klage sind Ansprüche des Klägers auf Schadenersatz, Auskunft und Unterlassung wegen behaupteter Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung.
Die Beklagte betreibt die Webseite www.f...com und die Dienste auf dieser Seite (im Folgenden: F.), die der Kläger seit 2008 nutzt. Bei der Registrierung und Erstellung eines F.-Accounts trägt der Nutzer seinen Vor- und Zunamen, Handynummer oder E-Mailadresse, Geschlecht und Geburtsdatum in die Registrierungsmaske ein. Der künftige Nutzer wird dabei auf die Datenschutz- und Cookie-Richtlinien hingewiesen, die durch eine Verlinkung getrennt abrufbar sind. Nach der Anmeldung wird die Sichtbarkeit des Profils und bestimmter Daten durch die Standardeinstellungen bestimmt. Danach können "alle" Personen sehen, welche Seiten der Nutzer abonniert hat oder mit wem er befreundet ist. Ebenso können "alle" den neuen Nutzer über seine Telefonnummer finden, wenn die Suchbarkeit auf "alle" eingestellt ist. Diese Einstellung war ursprünglich im Profil des Klägers hinterlegt. Die Angabe einer Mobilfunknummer in einem F.-Profil ist nicht zwingend erforderlich. Entscheidet sich ein Nutzer zur Angabe einer Mobilfunknummer, kann er in den "Suchbarkeits-Einstellungen" festlegen, von wem er über die Mobilfunknummer gefunden werden will. Die Grundeinstellung lautet insoweit zunächst "alle". Immer öffentlich sind Name, Geschlecht und Nutzer-ID.
Anfang April 2021 wurden Daten von rund 533 Millionen F.-Nutzern im Internet öffentlich verbreitet, unter anderem Telefonnummer, Nutzer-ID, Name, Vorname, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt und Beziehungsstatus. Zuvor hatten unbekannte Dritte unter Verwendung des Contact-Import-Tools von F. - möglicherweise durch zufällige Erzeugung von Telefonnummern - geprüft, ob eine bestimmte Telefonnummer in einem F.-Profil hinterlegt ist. Wenn dies der Fall war, wurden die öffentlichen Daten des entsprechenden Profils "abgeschöpft" (sog. "Scraping"). Auch den Kläger betreffende personenbezogene Daten wurden dabei im Internet auf Seiten veröffentlicht, die illegale Aktivitäten begünstigen sollen, wobei der Datensatz die Mobilfunknummer des Klägers, seinen Namen und Vornamen sowie sein Geschlecht enthielt (Bl. 522 d. A.). Die Beklagte informierte im Nachgang weder den Kläger noch die zuständige Datenschutzbehörde (Irish Data Protection Commission) über den Vorfall. Letztere verhängte am 28. November 2022 wegen des Vorfalls eine Geldbuße in Höhe von 265 Millionen Euro gegen die Beklagte, wogegen diese Rechtsmittel eingelegt hat.
Mit E-Mail seiner Prozessbevollmächtigte vom 13. Oktober 2021 (Anlage K 1, Bl. 52 d. A.) forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung von 500 Euro, zur Unterlassung künftiger Zugänglichmachung seiner Daten an unbefugte Dritte sowie zur Auskunft unter anderem darüber auf, welche personenbezogenen Daten des Klägers bei der Beklagten "abhanden gekommen" seien. Die Beklagte ließ die Zahlungs- und Unterlassungsansprüche durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11. November 2021 (Anlage B 16, Bl. 224 d. A.) zurückweisen und teilte mit, durch das Scraping seien NutzerID, Vorname, Nachname und Geschlecht des Klägers von seinem Profil abgerufen worden. Eine Zuordnung des Klägers zu einem Land sei möglicherweise schon anhand der Mobilfunknummer vorgenommen worden.
Zur Begründung seiner auf Zahlung von immateriellem Schadenersatz, Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden, Unterlassung, Auskunft und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage hat der Kläger behauptet, das Scraping sei nur möglich gewesen, weil die Beklagte keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen und die Sicherheitseinstellungen für die Nutzer so undurchsichtig und kompliziert gestaltet habe, dass ein Nutzer tatsächlich keine sicheren Einstellungen habe vornehmen können. Er habe einen Kontrollverlust über seine Daten erlitten und sich in der Folge unwohl gefühlt. Zudem sei er Kontakt- und Betrugsversuchen per Mail und SMS ausgesetzt gewesen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat behauptet, die konkret gesammelten Daten entstammten entweder nicht dem Scraping oder seien ohnehin öffentlich einsehbar gewesen.
Mi...