Leitsatz (amtlich)
1. Teilt der Versicherer dem Leistungen aus einer Unfallversicherung beanspruchenden Versicherungsnehmer mit, nach Vorlage weiterer näher bezeichneter Unterlagen werde er "in die Regulierung eintreten", obwohl die Frist zur ärztlichen Feststellungen der Invalidität bereits abgelaufen ist und diese Feststellung erkennbar fehlt, so darf er sich später auf die Versäumung nicht rufen.
2. Der Versicherer muss darlegen, dass und wie er eine gebotene Rückfrage nach Gefahr erheblichen Vorerkrankungen vor Ausübung seines Rücktrittsrecht vorgenommen hat; unterlässt er dies, kann er sich auf einen an sich fristgerechten Rücktritt nicht berufen.
3. Die Angabe eines Anfallleidens im Antrag ist nicht wegen Risikoausschlusses nach § 2 Nr. 1 Abs. 1 AUB entbehrlich.
4. Verschweigst ein Versicherungsnehmer bei Antragstellung auf die Frage nach "Gebrechen oder erheblichen Krankheiten" in den letzten Jahren regelmäßig auftretende Anfänge kurzzeitiger Bewusstlosigkeit, so handelt er arglistig.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 02.03.2004; Aktenzeichen 14 O 429/02) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 2.3.2004 verkündete Urteil des LG Saarbrücken, Az. 14 O 429/02, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 80.170,56 Euro festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem Unfallversicherungsvertrag auf Zahlung i.H.v. 76.693,78 Euro in Anspruch und begehrt weiterhin die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, weitere vertragliche Leistungen in Form einer Kurkostenbeihilfe i.H.v. 1.789,52 Euro und kosmetische Operationen bis 2.556,46 Euro, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind, zu zahlen.
Der Kläger hatte gem. Antrag v. 2.6.1999 (Bl. 122 d.A.) bzw. 4.6.1999 (Bl. 79 d.A.) bei der Beklagten mit Wirkung zum 1.7.1999 eine Unfallversicherung, Versicherungsschein- Nummer, unter Einbeziehung der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 94) abgeschlossen (Bl. 7 ff. d.A.). In dem formularmäßigen Versicherungsantrag beantwortete er die Frage "Leidet oder litt die zu versichernde Person in den letzten 4 Jahren an körperlichen Fehlern, Gebrechen oder erheblichen Krankheiten (Fehlsichtigkeit nur ab 8 Dioptrien)?" jeweils mit "nein"; in dem Antragsformular v. 4.6.1999 ist zudem ein entsprechender Eintrag in der Rubrik "ja, bitte erläutern (evtl. auf gesondertem Blatt)" unleserlich gemacht worden und finden sich weder in dem Antragsformular noch auf einem Beiblatt die für diese Rubrik geforderten Erläuterungen.
Am 18.9.2000 verursachte der Kläger, gegen den am 21.3.2001 wegen fahrlässiger Körperverletzung ein - nach Rücknahme des Einspruchs rechtskräftiger - Strafbefehl des AG Jever erging (Bl. 107 ff. d.A.), einen Verkehrsunfall, bei dem er schwere Verletzungen erlitt. Gemäß Diagnose des die Erstbehandlung durchführenden Arztes Prof. Dr. P., Städt. Kliniken g GmbH, in denen sich der Kläger v. 18.9. bis 16.10.2000 befand, wurden bei ihm "eine Mittelgesichtstrümmerfraktur, Nasenbeintrümmerfraktur, doppelte UK-Fraktur, multiple Weichteilverletzungen, Polytrauma, Lungenkontusion, Hirnkontusion, Calcaneusfraktur links, Epilepsie" festgestellt (Bl. 118 d.A.); nach dem Bericht der Städtischen Klinken v. 20.6.2001 an die für den Kläger zuständige Berufsgenossenschaft befand sich der Kläger in einem "Zustand nach Polytrauma am 18.9.2000 mit Mittelgesichtstrümmerfraktur, Nasenbeintrümmerfrakturen, Unterkiefer-Mehrfragment-Frakturen, Intra- und extraorale Gesichtsweichteilverletzungen, nicht dislozierte Calcaneusfraktur links, Lungenkontusion linker Unterlappen, Thoraxkontusion, Schürfwunden Unterschenkel bds., Verdacht auf Hirnkontusion" (Bl. 18 ff. d.A.).
Mit Schreiben v. 16.12.2001 (Bl. 61/100 d.A.), eingegangen bei der Beklagten am 18.12.2001(Bl. 62 d.A.), zeigte der Kläger den Unfall v. 18.9.2000 an; in diesem Schreiben teilte er der Beklagten Namen und Anschrift der ihn behandelnden Ärzte, Krankenhäuser und sonstigen Einrichtungen mit und wies darauf hin, dass weitere Informationen bei der (näher bezeichneten) Berufsgenossenschaft zu erhalten seien. Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben v. 19.12.2001 (Bl. 63/101 d.A.) darauf hin, dass bezüglich des Unfalles bisher keine Unterlagen eingereicht worden seien und die verspätete Meldung eine Obliegenheitsverletzung darstelle, die Ansprüche jedoch unverbindlich geprüft würden. In der Folgezeit reichte der Kläger - die Gründe für den mittlerweile eingetretenen Zeitablauf sind zwischen den Parteien streitig - mit einem am 23.4.2002 unterschriebenen Formblatt der Beklagten eine von ihm ausgefüllte "Unfall-Schaden-Anzeige" bei der Beklagten ein. In der Rubrik "Besteht od...